— Warum haben Sie sich in Moskau niedergelassen?
— Der Liebe wegen. 2005 traf ich in einem Badeort meine zukünftige Frau. Ich habe sie gefragt: „Verbringen Sie eine schöne Zeit hier?“, und sie antwortete: „Entschuldigen Sie bitte, aber ich spreche überhaupt kein Englisch.“ Ich habe Moskau unheimlich oft besucht als Tourist. Aeroflot liebte mich. Ich flog ständig hin und her, hin und her. 2007 bin ich dann endgültig umgezogen.
— Bis zum Treffen mit Ihrer zukünftigen Ehefrau - hatten Sie da bereits Erfahrung im Umgang mit Russen?
— Überhaupt nicht! Der einzige Russe, von dem ich jemals gehört hatte, war Iwan Drago aus dem Film „Rocky“. Und auch von ein paar Staatschefs: Jelzin und Breschnew.
— Und was denken Sie heute über die Russen?
— Russen sind den Iren nicht unähnlich. Wenn man Sie nähe kennen lernt, erweisen Sie sich als sehr freundlich und bereit, alles für einen zu tun, was in ihrer Macht steht. Ich habe heute viele russische Freunde und eine russische Familie, russische Schwiegereltern. Sie sprechen kein Englisch, und ich versuche, so viel es geht Russisch zu sprechen.
— Nehmen Sie Russischunterricht?
— Nein, ich lerne durch die Praxis. Mir gefällt die russische Sprache - sie ist so fließend. Anfangs kamen mir die Russen etwas düster vor. Heute kenne ich das russische Sprichwort, dass ein grundloses Lachen, das Lachen eines Trottels ist. Wenn ich nach Irland komme, sehe ich, dass dort ein viel größerer Optimismus herrscht als in Russland. Doch auch die Russen sind tief in ihrem Innersten Optimisten. Die Iren sind beim ersten Treffen offener. Um einem Russen näher zu kommen, dauert es länger. Aber am Ende sind wir uns sehr ähnlich.
— Und wie finden Sie das Moskauer Klima?
— Ich habe mich an das russische Wetter gewöhnt. Aber als ich hierher kam, es war Oktober, haben mir in Irland alle gesagt: „Du fährst in das kälteste Land der Welt!“ Wenn in Irland Schnee fällt, werden die Schulen und Krankenhäuser geschlossen, der Straßenverkehr setzt aus. Durch den Frost platzen die Rohre, überall sprudelt Wasser hervor, die Leute sind in Panik. Die Moskauer Infrastruktur hingegen ist so sehr auf die Kälte eingestellt, dass Frost nichts Aufregendes ist.
— Warum haben Sie sich für die Eröffnung eines eigenen Business in Moskau entschieden?
— Ich hatte schon eines in Irland. Mir gefällt es, selbständig zu sein. Ich mag es, nach meinem eigenen Zeitplan zu arbeiten. Natürlich gibt es im Business Höhen und Tiefen, es gibt bestimmte Risiken. Aber in der Großzahl der Fälle ist, wie man sagt, das Spiel die Kerzen wert. Ich habe mein Business in Moskau nicht sofort eröffnet. Bis März 2009 habe ich mit verschiedenen Ausbildungszentren zusammengearbeitet, an verschiedenen Orten, mit verschiedenen Verträgen. Es kam vor, das ich am Morgen in den Norden von Moskau musste, mittags dann in den Süden. Nicht besonders bequem. Jetzt bestimme ich selbst meinen Arbeitsplan.
— Wie lange arbeiten Sie am Tag?
— Von morgens bis abends. Manchmal 12 Stunden.
— Wie hat Ihre Frau auf Ihre Entscheidung reagiert, selbständig zu werden?
— Sie dachte, ich sei verrückt geworden. „Du muss was anderes machen! Du wirst so kein stabiles Einkommen haben!“, sagte sie. Ich versuchte Sie zu beruhigen: „Ich verfüge über viel Erfahrung. Reg dich nicht auf, es wird schon klappen. Und das Einkommen, das wird steigen.“ Ich war mir meiner sicher. Die einzige Hürde: der Papierkrieg. Aber mir helfen meine Frau und meine Kunden - alle, die sich auskennen. Es ist kein Geheimnis, dass der Bürokratielevel in Russland sehr hoch ist. In Irland würde ich binnen zwei Tagen ein Business einfach online eröffnen. In Moskau ist ein Berg von Dokumenten vonnöten. Man möchte die Beamten fragen: „Wir haben 2013. Haben Sie schon mal was von Internet gehört?“
— Wie läuft das Geschäft aktuell?
— Gut, einfach ausgezeichnet. Ich bin zufrieden damit, wie sich alles entwickelt. Ich unterrichte selbst jetzt weniger, kümmere mich mehr um Managementaufgaben. Ich habe acht Mitarbeiter, die auf Vertragsbasis arbeiten. Ich organisiere auch Reisen nach Irland. Russen, die die englische Sprache erlernen, sagen häufig: „Kommt, lasst und nach London fahren!“ oder irgendwo andershin in England. Ich empfehle ihnen dann, nach Irland zu fahren. In jedem Jahr kommen irische Studenten zu uns, die in Dublin Russisch lernen. Ich helfe ihnen bei der Jobsuche. Die einen arbeiten als Lehrer für Erwachsene, andere als Journalisten oder in Unternehmen.
— Haben Sie ein Büro? Wo unterrichten Sie?
— Meine Schule ist virtuell. Wenn ich mal ein Büro brauche, kann ich das über Bekannte organisieren. Ich treffe mich mit meinen Kunden in deren Büros oder bei Ihnen zu Hause. Früher habe ich auch bei mir zu Hause unterrichtet, aber jetzt vermeide ich das eher. Ich möchte Berufs- und Privatleben getrennt halten. Manchmal gebe ich auch Stunden in Cafés. Das hängt vom Kunden ab.
— Abgesehen von Moskau, in welchen russischen Städten waren Sie schon? Welche hat Ihnen dabei am besten gefallen?
— Ich war in Sankt Petersburg, Samara und in Liwny im Orjoler Gebiet, dem Geburtsort meiner Frau. Als meine Eltern 2009 zu meiner Hochzeit kamen, sind wir von Moskau nach Liwny gefahren. Das sind ungefähr 460 Kilometer. Stellen Sie sich das einfach mal vor: In Irland ist das etwa gleich der Entfernung vom nördlichsten zum südlichsten Punkt des Landes! Und meine Mutter frage ständig: „Wo liegt denn dieser Ort? Gibt es den wirklich? Wo fahren wir denn hin?“ Klar, wenn Irland der Nagel eines meiner Finger ist, dann ist Russland meine ganze Hand. Moskau hinterlässt einen starken Eindruck, doch sollten Ausländer auch das sehen, was sich jenseits der Grenzen der Hauptstadt befindet. Als wir, etwa 15 Iren, nach Liwny kamen, glich das einer Invasion ausländischer Fremdlinge. Moskau hat sich schon lange an Ausländer gewöhnt. Moskau ist natürlich meine Lieblingsstadt, ich lebe ja auch da. Aber auch Sankt Petersburg ist sehr schön.
— Haben Sie vor, für immer in Moskau zu bleiben?
— Diese Frage wird mir oft gestellt. Sowohl in Moskau, als auch in Irland. Ich habe eine eher temporäre Sicht auf das Thema irgendwo zu leben, das wird aber bald auch wieder recht dauerhaft. In meinem Herzen werde ich immer Ire bleiben, mein Elternhaus steht in Irland. Ich bin jetzt aber schon sieben Jahre in Russland. Ich weiß nicht. Wir werden sehen. Viele Ausländer kommen nach Moskau für ein halbes, vielleicht auch für ein ganzes Jahr. Dann schaust Du nach 15 Jahren nach, und sie sind immer noch da. Die wirtschaftliche Situation in Irland ist zurzeit nicht glänzend, und im Moment verspüre ich nicht wirklich einen Drang, dorthin zurückzukehren. Die Menschen haben es sehr schwer dort. Ich könnte in Irland nicht das verdienen, was ich hier habe.
— Und wie finden Sie die Moskauer Staus? Haben Sie hier ein Auto?
— Ja, habe ich, vermutlich das sauberste in ganz Moskau, weil ich es so gut wie nie benutze. Die Metro eignet sich für mich besser. Wissen Sie, die Leute beklagen sich darüber, dass dort zu viele Menschen unterwegs sind und so weiter und so weiter. Aber mir gefällt die Metro trotzdem, weil sie schneller ist. Und ich habe bemerkt, dass viele Moskowiter glauben, dass, wenn du kein Auto hast, du arm sein musst. Vollkommen absurd.
— Und schätzen Sie die Schönheit der Moskauer Metro?
— Ehrlich gesagt, schaue ich mich in der Metro kaum um. Touristen, die hierher kommen, schicken mir dann ihre Fotos von Moskau, unter anderem mit Bildern aus der Metro. Und dann bemerke ich in der Tat die Schönheit des Moskauer Untergrunds.
— Haben Sie einen Lieblingsplatz in Moskau?
— Zu Hause mit meiner Frau. Dann gefällt mir das irische Pub „Silvers“ auf der Tverskaja Straße. Insgesamt bleibe ich eher nicht an bestimmten Plätzen immer wieder hängen. Es gibt ein paar Bars und Restaurants.
— Welches ist Ihr Lieblingsrestaurant in Moskau?
— Mir gefällt das indische Restaurant „Darbar“ auf dem Dach des Hotels „Sputnik“ auf dem Leninprospekt. Wunderschöner Blick auf die Stadt! Und es liegt gleich um die Ecke von mir zu Hause. Wir wohnen auf dem Mitschurinskij Prospekt, neben der Universität. Wenn meine Frau kocht, ist das einfach lecker. Wenn sie dann mal nicht kocht, gehen wir ins Restaurant. Ich selbst bin ein guter Esser, aber ein miserabler Koch.