Businessplan
Vor einem Jahr startete ich mein Business „Juvalia&You”, das sich in Russland, Brasilien, Indien und Deutschland gut entwickelte. Wir konnten vier Investoren aus verschiedenen Ländern finden, die in unser Unternehmen ein paar Mio. US Dollar investierten. Wir vertrieben die modischen Accessoires im Internet und in unseren Läden. Nach einem Jahr wurde uns klar, dass wir die besten Chancen in Indien hätten und uns daher auf dieses Land konzentrieren sollten: Der dortige Markt ist größer und die Konkurrenz geringer. Und ich fing mit einem neuen Start-up in Russland an.
Über Christian Graggaber
Ein österreichischer Manager und Unternehmer. Geboren am 23.Juni 1979. Studierte in Mailand, Paris, Moskau und Boston. Seinen Wehrdienst leistete er in der österreichischen Armee ab. Er absolvierte die Moskauer Business-School Skolkowo (Abschluss MBA, 2010-2011) und schloss einen Kurs am MIT mit dem Fokus „innovatives Unternehmertum“ (2011) ab. Er arbeitete für „DaimlerChrysler” in Deutschland und Rumänien sowie für die „Mondi Group” in Wien und in München. In Russland startete er das Start-up-Unternehmen „Juvalia&You”.
Noch kann ich nicht über alle Einzelheiten des neuen Businessprojekts sprechen, das im September dieses Jahres gestartet wird. Zurzeit suchen wir neue Mitarbeiter, entwickeln technische Grundlagen usw. Ich kann nur so viel verraten: Es wird ein Businessprojekt, wo neue Autos und Motorräder verkauft werden. Russland hat einen riesigen Automarkt, ein großes Territorium und viele Verbraucher. In ein paar Jahren wird der russische Automarkt der weltweit größte sein. Meine Business-Idee ist es, den Einkaufsprozess bei einem neuen Auto oder einem neuen Motorrad mithilfe der modernen Informationstechnologien zu vereinfachen. Wir haben starke Konkurrenz (wie zum Beispiel „Yandex.Auto“), aber wir haben vor, unseren Kunden ein ganz neues Konzept anzubieten. Ich kenne mich mit dem Thema Auto auch sehr gut aus, denn ich arbeitete bereits bei „Mercedes“ in Deutschland und Rumänien. Und ich liebe Autos über alles!
Wieso ausgerechnet Russland?
Als ich noch in Österreich studierte, hatte ich die Wahl, Russisch oder Italienisch zu lernen. Ich habe mich für Russisch entschieden und kam 1997 im Rahmen eines zweimonatigen Sprachkurses nach Russland. Ich spreche Englisch, Französisch, Russisch, Deutsch und Italienisch – es ist gar nicht so schwierig, denn viele Sprachen haben eine gemeinsame Wortschatzbasis.
Russland hat einen riesigen Automarkt, ein großes Territorium und viele Verbraucher.
Später fuhr ich nach Mailand, um dort Italienisch und das Fach „Business Administration“ zu studieren. Russland habe ich aber nicht vergessen: Ich kehrte nach Russland zurück, um hier ein Praktikum in der Internationalen Moskauer Bank abzuschließen. Danach verbrachte ich fast ein Jahr in Paris und kehrte dann zurück nach Österreich. Ich arbeitete sechs Jahre lang für die „Mondi Group“ (der größte Hersteller für Papier und Verpackungsmaterialien aus Papier) in einer leitenden Position. Dann habe ich irgendwo über die Business-School Skolkowo gelesen und dachte: Da muss ich hin, um mich weiterzubilden! Und so kam ich dahin. Wenn Sie mehr über allgemeine Technologien und das Unternehmertum in Russland erfahren möchten, sollten Sie nach Skolkowo kommen. Für mich, einen ausländischen Unternehmer, der sein Business in Russland starten wollte, war das eine sehr gute Entscheidung, trotz meiner bisherigen Managementerfahrungen. In Skolkowo konnte ich mein Wissen auffrischen und mich weiterbilden. Danach studierte ich eine gewisse Zeit in Boston am MIT das Fach „Informationstechnologien“. Und jetzt bin ich hier.
Wenn Sie mehr über allgemeine Technologien und das Unternehmertum in Russland erfahren möchten, sollten Sie nach Skolkowo kommen.
Start-up auf Russisch
Man sollte die Zielgruppe kennen, die man bedienen möchte. Wenn Sie davon ausgehen, dass Ihre Kundschaft vor allem die russischen Frauen sind, dann sind das fast 70 Mio. Menschen! Das sind einfach zu viele, daher sollte sie Ihre Zielgruppe eingrenzen und genauer definieren. Als wir unser letztes Start-up-Projekt begannen, haben wir vorher unsere Zielgruppe definiert: Frauen zwischen 20 und 35 Jahren aus Moskau und den Regionen. Ein paar Monate später haben wir dann unseren Fehler erkannt: Unsere Kundinnen waren vor allem Frauen zwischen 30 und 50, die nicht aus Moskau, sondern aus den Regionen kamen. Und es reicht nicht, seine Zielgruppe zu bestimmen, man sollte diese auch sehr gut kennen. Man sollte alles über ihre Interessen, Besonderheiten und das charakteristische Verhalten wissen. Dafür sollte man am besten besondere Fokus-Gruppen bilden.
Businessplan
Nehmen Sie als erstes Ihren Taschenrechner in die Hand, denn Sie werden viel rechnen müssen. Ohne Rechnen wird es nicht funktionieren. Und dabei ist es egal, wie stark Sie an Ihren Erfolg glauben, Sie müssen in erster Linie alles durchrechnen. Denken Sie an jedes Businessdetail, alle Details müssen sich zum Schluss in einem Punkt treffen. Dafür werden Sie einige Annahmen machen müssen, aber es ist wichtig, dass diese auf Ihren praktischen Erfahrungen fußen.
Es kann auch sehr hilfreich sein, ein großes Plakat mit der gesamten schematischen Darstellung des Projekts an die Wand zu hängen. Das kann Ihnen helfen, Ihr Business als ein Gesamtbild zu sehen: Wer sind Ihre Kunden, was werden Sie ihnen verkaufen können, wie teuer wird es sein, welche Investitionen brauchen Sie ganz am Anfang und dann später usw. Wenn Ihr Business-Puzzlebild dann vollständig erscheint, werden Sie sich viel sicherer fühlen.
Womit man einen Investor anlockt
Nach einem Bewerbungsgespräch können Sie mit drei Antwortmöglichkeiten von Ihrem potentiellen Investor rechnen: „ja“, „nein“ und „vielleicht“. Am häufigsten hört man ein „nein“. Als ich mein erstes Businessprojekt in Russland ausarbeitete, sagten 13 Investoren „nein“ zu mir. Das ist aber ganz normal. Während der Businessplan-Präsentationen machte ich zuerst viele Fehler – alle Anfänger machen sie. Aber man sollte an seiner Präsentationsrede feilen, damit diese jedes Mal besser wird. Man sollte auch selbstbewusst auftreten, doch beim ersten potentiellen Investor hat man diese Selbstsicherheit noch nicht. Es kommt noch hinzu, dass gewiss die erste Variante Ihres Businessplans ganz verworfen werden muss, doch mit der Zeit wird er immer perfekter. Und natürlich sollte man auf die richtigen Investoren setzen. Wenn ich wie jetzt ein Businessprojekt im Bereich Autos in Russland starte, dann gehe ich nicht zu einem französischen Investor, der in Accessoires investiert. Man sollte aus der Vielzahl an Investoren den richtigen aussuchen können. Die Investorensuche gestaltet sich im Allgemeinen nicht besonders schwer, zum Beispiel über Google. Ich kann Ihnen auch die Seite „Crunchbase“ und ihre russische Variante "Rusbase.com" empfehlen.
Als ich mein erstes Businessprojekt in Russland ausarbeitete, sagten 13 Investoren „nein“ zu mir. Das ist aber ganz normal.
Für die potentiellen Investoren sind Ihre vorherigen Erfahrungen von großer Bedeutung. Sie werden bei ihnen deutlich mehr Chancen haben, wenn Sie bereits ein Businessprojekt gehabt haben, auch wenn dieses nicht ganz erfolgreich verlief. Uns wurde am MIT und in Skolkowo beigebracht, dass jedes Erlebnis seinen Nutzen hat, denn dadurch knüpfen Sie notwendige Beziehungen und sammeln Erfahrungen. Des Weiteren achten die Investoren natürlich auch auf die Ausbildung des Bewerbers. Ich studierte an vier Universitäten: In Mailand, Paris, Boston und Moskau. Natürlich macht dies auf die Investoren einen sehr günstigen Eindruck. Und die internationalen Erfahrungen sind auch von Nutzen.
Wie viele Fenster gibt es in Moskau?
Als ich gerade dabei war, „Juvalia&You“ zu eröffnen, hatte ich sechs Bewerbungsgespräche mit sechs verschiedenen Investoren. Dort wollte man wissen, wie ich bestimmte Fallstudien löse und mein analytisches Denken testen. Investoren wollen in der Regel deine Fähigkeiten testen, u.a. auch die Fähigkeit, auf Unerwartetes zu reagieren. Und natürlich möchten beide Seiten verstehen, ob sie gut zusammenarbeiten können. Man fragte mich einmal sogar, wie viele Fenster es in Moskau gibt. Investoren interessieren sich auch für die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers. Man hat mich zum Beispiel auf meine Schwächen angesprochen. Zwischen Ihnen und Ihrem Investor sollte die Chemie stimmen und ein vertrautes Verhältnis entstehen. Dann wird alles gut gehen.
Sergej Kapjew, Manager von „Ernst&Young“:
Der Markt für neue Autos in Russland wächst. Laut Schätzungen wird der Autoverkauf 2013 um 6% steigen und 3,2 Mio. Autos erreichen, wenn keine neuen wirtschaftlichen Probleme entstehen. In Moskau befindet sich der größte Markt Russlands für neue Autos, was vor allem auf die Gehaltsstandards der Bevölkerung, Möglichkeiten der Autofinanzierung, die Entwicklung des Vertriebsnetzes und der Infrastruktur zurückzuführen ist.
Wenn man sich den Perspektiven des Moskauer Marktes in Bezug auf den Absatz der neuen Autos zuwendet, dann sieht man, dass trotz der ziemlich hohen Konkurrenz der Markt für die Autoanbieter weiterhin sehr attraktiv bleibt. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass der Absatz der Autos pro Autohaus in Moskau viel höher als der durchschnittliche Absatz in Russland und das Wachstumstempo des Marktes ziemlich hoch ist.
In Russland ist die Anzahl der Autofahrer noch viel niedriger als in Europa oder in den USA: 260 Autos pro 1000 Menschen. In Deutschland sind es zum Beispiel 532 Autos und in den USA 641 Autos pro 1000 Menschen. Auf dem russischen Markt dominieren die ausländischen Automarken (68% im Jahre 2012); die ausländischen Investoren haben auch weiterhin vor, in den russischen Markt zu investieren, und die Nachfrage wird weiter steigen. Die Infrastruktur der amerikanischen und westeuropäischen Automärkte ist stärker entwickelt als in Russland – ihre Logistik ist moderner, die Vertriebsnetze sind besser ausgebaut und der Autoservice ist besser entwickelt. Der amerikanische Markt erholt sich ziemlich schnell nach der Phase der Rezession. Den Erwartungen nach werden in den USA im Jahre 2013 zwischen 14 und 15 Mio. Autos verkauft werden können. In Westeuropa sieht die Lage deutlich ungünstiger aus. Daher gründen die westeuropäischen Autohersteller in Russland Niederlassungen, um die stetig wachsende Nachfrage zu befriedigen. Die russische Regierung bietet auch verschiedene wirtschaftliche Erleichterungen an – Befreiung von den Zollgebühren, Schaffung der speziellen Wirtschaftszonen etc. Dies trägt zur Entstehung eines starken Pull-Effekts für die Autolieferanten bei. Zwischen 2007 und 2011 haben die ausländischen Investoren im Bereich der Autoindustrie in Russland über 90 Projekte realisiert und somit über 16.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Für die russische Wirtschaft eine sehr gute Bilanz.
Heute kommuniziere ich mit meinem Investor per kurze E-Mails und das auch nur bei Bedarf. Am Anfang unserer Zusammenarbeit dagegen haben wir uns fast jede Woche persönlich getroffen.
Die Investoren sind natürlich sehr verschieden, aber keiner von ihnen möchte ein Business haben, auf welches er ständig aufpassen muss; die Investoren haben in der Regel mehrere Dutzend Projekte, die sie fördern. Sie bieten dem Unternehmer eine gewisse Unterstützung, aber ich bin der Inhaber des Unternehmens und sein CEO. Das ist meine Firma, mein Businessplan und meine Mitarbeiter. Und wenn ich einen Fehler mache, verliere ich mein Business und enttäusche viele Menschen.
Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender beim Konzern AUDI AG:
Trotz der andauernden Schuldenkrise in einigen EU-Ländern, hat die Audi Group ihre Erwartungen für das Jahr 2012 übertroffen. Wir konnten Rekordzahlen bei der Produktion, Lieferung, beim Umsatz und beim Gewinn erzielen. Letztes Jahr konnte unser Unternehmen über 1,45 Mio. Autos verkaufen und einen Umsatz von 48,8 Mrd. Euro erzielen. Die Audi Group hat auch ihren operativen Gewinn auf 5,4 Mrd. Euro steigern können, was ein Rekordergebnis in der ganzen Geschichte des Unternehmen ist. Das ganze Jahr über betrug die operative Verkaufsrentabilität 11%, wodurch sie das geplante Intervall zwischen 8% und 10% noch übertraf.
Am schnellsten entwickeln sich zurzeit zwei Regionen – Nordamerika (+19%) und Asien (+28%). In Europa wächst die Autoindustrie nicht ganz so schnell. Wir haben uns der allgemeinen Markttendenz widersetzt und sind gegen den Strom geschwommen.
Allgemein ist die Europäische Union mit 739.000 Autos immer noch der Hauptabsatzmarkt. Somit sind wir in den letzten zehn Jahren um 30% gewachsen. In der gleichen Zeit veränderte sich aber das Gesamtvolumen des europäischen Automarktes kaum. Die bestehenden Probleme sind allen bekannt. Spanien hat das niedrigste Automarktvolumen seit 1986. In Italien ist die Nachfrage nach Autos auf dem Niveau von 1979, d.h. der Automarkt wurde fast 33 Jahre zurückgeworfen. Der russische Markt für neue Autos dagegen zeigt zurzeit ein phantastisches Wachstum von 44%. Somit ist er der beste Markt unter unseren Top 10. Das Volumen des russischen Automarktes hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt. Das freut mich natürlich sehr!
Russisches Team
Es ist sehr schwer, gute Mitarbeiter zu finden. Ich habe viel Zeit in die Bewerbungsgespräche investiert. Auch momentan bin ich gerade dabei, mehrere Bewerbungsgespräche zu führen und mein Arbeitsteam zusammenzustellen.
Ich muss genau wissen, welchen Menschen ich vor mir habe, welche Fähigkeiten und Erfahrungen er vorzuweisen hat. Gute Spezialisten in Moskau sind eigentlich zu teuer für ein Start-up-Unternehmen, denn sie sind ca. anderthalbmal so teuer wie im Westen. Und je höher ihre Position, desto größer der Unterschied zum Westen.
Änderungen des russischen Bildungssystems führten dazu, dass Russen viel bessere Businessvorstellungen bekommen haben und heute ganz genau wissen, was sie wollen. Aber noch haben sie zu wenig Arbeitserfahrung. Sie denken, dass es viel ist, wenn man bereits fünf oder sieben Jahre gearbeitet hat. Aber eigentlich stimmt das nicht, denn erst wenn man 20 oder 30 Jahre lang gearbeitet hat, kann man von einer langen Arbeitserfahrung sprechen. Diejenigen aber, die bereits 30 Jahre lang gearbeitet haben, haben in der Regel keine Ahnung vom Business. Ein schier unlösbares Problem. Die besten Arbeitskräfte in Moskau sind Mitarbeiter, die knapp über 40 sind.
Die besten Arbeitskräfte in Moskau sind Mitarbeiter, die knapp über 40 sind.
Ich stelle nur ungern Mitarbeiter aus anderen russischen Städten, aus Weißrussland oder aus der Ukraine ein, obwohl sie nicht so hohe Gehaltsansprüche wie die Moskauer haben. Das Laben in Weißrussland oder in der Ukraine ist viel günstiger als in Moskau, aber auch ihre Kenntnisse sind viel niedriger. Außerdem finde ich es sehr praktisch, wenn meine Mitarbeiter in meiner Nähe sind. Zurzeit habe ich vier Mitarbeiter, in einem Jahr werden es bereits 20 sein. Mein Büro befindet sich auch in Moskau, obwohl Moskau die teuerste Stadt ist, die ich kenne. Die Moskauer Mietpreise für Büroräume sind höher als irgendwo sonst, sogar höher als in London.
Russische Weiten
Ich liebe Russland, und ich liebe Moskau. Hier gibt es viele Businessmöglichkeiten, und es ist viel einfacher als im Westen, ein Businessprojekt zu starten. Wegen der hier herrschenden Bürokratie ist es aber schwieriger, es zu führen. Eine Geschäftsreise kostet in der Regel viel Papierkram. Aber Russland ist auf dem richtigen Weg, den Westen einzuholen, daher gibt es hier auch so viele Businessmöglichkeiten.
Ich hatte Glück, denn ich kann mein Business in der Stadt betreiben, die ich mag.
Ich hatte Glück, denn ich kann mein Business in der Stadt betreiben, die ich mag.
Der russische Unternehmer trifft seine Entscheidungen schnell. Heute hat er beschlossen, einen Laden aufzumachen, und morgen ist das Geschäft bereits eröffnet. Im Westen hätte man dagegen vorher 20 Jahre lang überlegt, ob sich das lohnt, und in dieser Zeit schwinden die Chancen auf Erfolg. Für die Russen gilt eher die Regel „Just do it!“. Diese führt nicht immer zum Erfolg, aber eine Chance auf Erfolg hat jeder.