– Adrien, wie haben Sie vom Projekt „Displair“ erfahren?
– Ich habe eine besondere Position: Als Chefredakteur von „East-West Digital News“ bekomme ich von meinen Mitarbeitern täglich eine Materialsammlung der russischen Massenmedien über die Neuigkeiten in diesem Bereich. Und als ich im November letzten Jahres über den Sieg von „Displair“ bei einem Innovationswettbewerb in Russland erfuhr, weckte das Projekt mein Interesse. Zuerst äußerte sich mein Interesse in der Vorbereitung eines Artikels für unsere Ausgabe, und später lernte ich Maxim Kamanin und andere Teammitglieder von „Displair“ persönlich kennen.
– Fiel es Ihnen schwer, junge Forscher nicht mal aus Moskau, sondern aus Astrachan, der tiefsten Provinz, finanziell zu unterstützen?
– Ich habe etwas im seed stage, der Gründungsphase, investiert. Aber meine Rolle im Projekt sah ich nicht so sehr als Investor, sondern viel mehr als Mentor. Meine Investitionen in das Projekt waren nicht so hoch wie bei den anderen Investoren. Als Investor habe ich einen Unternehmensanteil von einem Prozent bekommen. Und als Gegenleistung für meine Beratertätigkeit für das Unternehmen habe ich – im Rahmen der üblichen Praxis – noch einige Prozente dazubekommen.
– Inwieweit halten Sie das Projekt für potentiell erfolgreich und inwieweit die Investitionen in das Projekt für riskant?
– Es gibt keine Garantien bei Investitionen in ein Startup-Projekt. Aber speziell in Bezug auf dieses Projekt halte ich das Risiko für gering. Besonders wenn man den potentiellen Unternehmenswert betrachtet. Es reicht bereits zu erwähnen, dass das Unternehmen bei der ersten Investitionsrunde auf drei Mio. US Dollar und heute schon auf sieben Mio. US Dollar geschätzt wird. Das „Displair“-Projekt hält eine sehr gelungene Balance aus Risiken und potentiellen Gewinnen. Ja, das Gerät ist noch nicht ganz fertig, es ist erst der spätere Prototyp eines Anfangsmodells. Aber das Wichtigste wurde bereits getan, deshalb gibt es auch nicht so viele technischen Risiken.
Potentiell ein Unternehmen mit einer milliardenschweren Kapitalisierung. „Displair“ könnte sogar so etwas wie „Samsung“ oder „Sony“ werden.
Es gibt auch nicht so viele finanzielle Risiken. „Displair“ bedeutet: Bildschirme der Zukunft. Diese werden später – auch wenn es nur anteilig sein sollte – die heutigen interaktiven Displays und Terminals ersetzen. Potentiell ist es ein Unternehmen mit einer milliardenschweren Kapitalisierung. Im Falle des Erfolgs könnte „Displair“ sogar so etwas wie „Samsung“ oder „Sony“ werden. Und diese Chance besteht!
– Und haben Sie keine Angst davor, dass die Geräte von „Displair“ lediglich einfache Computerspielzeuge bleiben könnten?
– Viele ihrer Anwendungsbereiche sind sehr ernst. Denn es ist nicht nur die Werbebranche, sondern auch die Bereiche Gesundheit und Bildung.
– Was ist Ihr Anteil an der Tätigkeit von „DisplAirCompany“?
– Erstens habe ich mich an der Organisation des Fundraising beteiligt. Zum Schluss sind so eine Mio. US Dollar zusammengekommen. Bevor ich gekommen bin, kannte sich „DisplAirCompany“ mit den Feinheiten der Präsentation, Argumentation und den Berechnungen eines Verkaufswerts nicht besonders gut aus. Aber ohne eine passende Verpackung lässt sich ein Produkt nicht verkaufen. Die Leute von „DisplAirCompany“ haben schon einiges auf die Beine gestellt, aber es fehlte ihnen an einer Sauce, um ihr Produkt für die Investoren schmackhaft zu machen. Wie der berühmte Komponist Michail Glinka sagte: „Die Musik wird vom Volk erschaffen, wir, die Komponisten, sind nur für ihr Arrangement zuständig“. Sie haben eine Technologie entwickelt, und ich habe diese für die Investoren attraktiv gemacht. Aber ich muss sagen, dass die Investoren sich auch schon davor für dieses Projekt interessiert haben. Doch die Entscheidung bezüglich einer Investition fiel erst nach der Präsentation der „richtigen Verpackung“. Speziell Esther Dyson (sie investierte in 15 russische Startups und ist in Russland als „Businessangel“ bekannt) wurde auf dieses Projekt von mir aufmerksam gemacht. Zweitens habe ich eine Road-Show in Paris organisiert, wo ein Treffen zwischen den Vertretern verschiedener internationaler Marken stattgefunden hat.
Sie haben eine Technologie entwickelt, und ich habe diese für Investoren attraktiv gemacht.
– Und wie schnell erwarten Sie den Investitionsrückfluss aus dem „Displair“-Projekt?
– Es ist in der Regel sehr schwierig, den genauen Zeitpunkt für den Investitionsrückfluss für ein konkretes Startup-Unternehmen zu nennen. Aber „Displair“ stellt einen besonderen Fall dar. Keiner möchte aus diesem Projekt vorzeitig aussteigen. Wenn morgen das nächste Fundraising stattfinden sollte und mir jemand für meinen Anteil um ein Zehnfaches mehr als ich investiert habe anbieten würde, würde ich dieses Angebot ablehnen. Denn morgen wird mein Anteil noch um einiges mehr wert sein.
– Wie sieht das Investitionsgleichgewicht auf dem russischen Startup-Markt aus – wie viel investieren die russischen Investoren und der russische Staat und wie viel die westlichen Investoren?
– Erstens muss man eine offensichtliche Tendenz zur Investitionssteigerung im Bereich der Innovationen vermerken, u.a. vonseiten des russischen Staates. Und dies geschieht nicht nur in Moskau, sondern auch in den entfernteren Regionen Russlands. Es entstehen Technikparks und Businessinkubatoren und auch die „Businessengel“ kommen. Eine neue Periode für Russland ist angebrochen. Vor fünf Jahren gab es in Moskau nur einen Business-Inkubator, welcher von den Studenten der Hochschule für Wirtschaft ins Leben gerufen wurde. Außer einigen wenigen Ausnahme-Pionieren wie „Mangrove Capital“, das seit 2006 in russische Startups investiert, und die Privatinvestorin Esther Dyson gab es damals nur wenige ausländische Investoren. Dies bedeutet, dass es vor fünf Jahren noch gar nichts gab – weder private Investoren noch eine staatliche Finanzierung. Sogar vor zwei oder drei Jahren existierten nicht mehr als zwei Dutzend solcher Inkubatoren und wirklich funktionierende Venture-Fonds in Russland.
Die meisten ausländischen Investoren verstehen auch heute nicht so ganz, was in Russland passiert.
Heute hat sich dieses Bild verändert. Es gibt „Skolkowo“, Fonds einer russischen Venture-Gesellschaft und internationaler Investoren. Die Regionen Russlands wie Moskau und Tatarstan erschaffen ihre eigenen Venture-Fonds und Technikparks. Steve Blank, Veteran des Silicon Valley, war bei seinem Besuch in Russland sehr erstaunt, einen so großen Haufen Geld im Bereich der Innovationen vorzufinden. Diese Tatsache bedeutet natürlich nicht, dass das Leben der russischen Startup-Unternehmer sehr einfach ist. Aber ein Startup, das ein wirklich gutes Produkt in einer qualitativen Verpackung anbietet, kann die notwendigen Investitionen erhalten.
– Und wenn Sie die Situation in Russland aus der Position eines ausländischen Investors betrachten – ist sie günstig?
– Die Situation ist günstig, aber es mangelt an Kenntnissen. Noch vor einigen Jahren galten in Bezug auf Russland bestimmte Stereotypen. Aber auch heute verstehen die meisten ausländischen Investoren nicht so ganz, was hier passiert. Die Situation verändert sich nach und nach, und dieser Änderungsprozess setzte vor zwei Jahren an. Der Gang der Unternehmen „Mail.ru Group“ und „Yandex“ an die westlichen Börsen war eine Art Zeichen für die ausländischen Investoren. Über diesen Börsengang wurde viel berichtet. Aber auch das „Displair“-Projekt hat unglaublich starken Anklang in den ausländischen Medien gefunden. Die Präsentation des Projekts wurde sogar mit Szenen aus dem amerikanischen Film „Minority Report“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle verglichen. Allerdings war es im Film nur Science-Fiction, und „Displair“ ist real.
– Und Ihr persönliches Projekt „East-West Digital News” entstand auf der Grundlage von „Displair“?
– Als ich Anfang 2009 nach Russland kam, arbeitete ich in einem Fonds, der heute den Namen „Fast Lane Ventures“ trägt. Ich war der leitende Investment Manager. Während Unterhaltungen mit meinen westlichen Kollegen wurde mir klar, dass es ihnen einfach an den nötigen Sprachkenntnissen mangelt, um das zu erfassen, was um sie herum geschieht. Die Notwendigkeit einer internationalen Schnittstelle, die auf Englisch erklären könnte, was in Russland in diesem Bereich gerade passiert, war offensichtlich. Dabei war es notwendig, diese Beschreibungen der russischen Wirklichkeit mit realen Beispielen über konkrete russische Entwicklungen zu untermauern. So wurde das Projekt „East-West Digital News“ geboren, das heute über Startups in Russland berichtet.
– „East-West Digital News“ erfasst ein breites Spektrum an modernen Informationstechnologien – ich beziehe mich dabei auf ihre Website – Internet, Mobilfunk, Telekommunikation, Digitales Fernsehen, Satelliten-Systeme, Computernetzwerke sowie damit verbundene rechtliche Fragen im Bereich der Investitionen. War es schwierig, ein Team von solch unterschiedlichen Spezialisten zusammenzustellen?
– Wir haben ein recht kleines Team, obwohl wir auch größere gemeinsame Forschungen mit anderen Unternehmen durchführen. Vor Kurzen haben wir eine 300-Seiten-Abhandlung in Zusammenarbeit mit „PricewaterhouseCoopers“ abgeschlossen.
In Russland kann das Produkt schön, die Verpackung aber hässlich sein. Und es ist schwer, dies aus Amerika oder Europa zu erkennen.
Wer gehört zum Grundstock unseres Teams? Vor allem Spezialisten von der Hochschule für Wirtschaft, die auch zu den Mitbegründern unserer Informationsressourcen gehören. Wir laden aber auch externe Experten ein. Doch die Suche nach geeigneten Spezialisten in unserem Bereich gestaltet sich mitunter schwierig. Man sollte nicht nur Englisch und Russisch sprechen, sondern auch verstehen können, was ein Startup ist und wie Investitionen getätigt werden. Es ist eben sehr schwer, in Russland solche Spezialisten zu finden, und das ist das Hauptproblem. Dies betrifft auch nicht nur uns, sondern alle Internetbereiche.
– Und wie viele ausländische Spezialisten in Russland gibt es in diesem Bereich?
– In den Startups sind es vielleicht ein oder einige Dutzend in ganz Russland. Ausländische Spezialisten gibt es auch in den ausländischen Unternehmen, die ein Internetbusiness in Russland betreiben, und in den russischen Großkonzernen.
– Bedeutet dies etwa, dass die russischen Startups weniger Investitionen aus dem Westen, sondern vielmehr Marketing-Technologien und die Fähigkeit, das Produkt richtig vermarkten zu können, brauchen?
– Ja. Aber auch hier gibt es eine Besonderheit: Russland war schon immer verschlossener und weniger integriert in die globale Wirtschaft als die westlichen Länder. Und auch hier spielen Sprachbarrieren eine wichtige Rolle, denn nicht alle Startup-Unternehmer beherrschen die englische Sprache, nicht einmal die Grundlagen. Ich halte es für unklug, auf dem internationalen Markt ohne Englischkenntnisse agieren zu wollen.
Aber es hängt nicht alles von den Sprachkenntnissen ab, es gibt da noch viel mehr Probleme. Das Wichtigste ist, sich richtig präsentieren zu können. Die Amerikaner gelten in diesem Bereich eindeutig als anerkannte Asse. Sie schaffen es, sogar ein schlechtes Produkt schön zu verpacken und den Verbraucher von seiner hohen Qualität zu überzeugen. In Russland ist alles umgekehrt: Das Produkt kann schön, aber die Verpackung hässlich sein. Und es ist schwer, dies aus Amerika oder Europa zu erkennen. In Russland ist die Marketingkomponente insbesondere im internationalen Bereich offensichtlich schwach entwickelt.
Aber es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel das Startup Resumup.com von Evgenij Barulin aus Sankt-Petersburg. Es bietet ein unglaublich schönes Produkt in gutem Englisch an.
– Haben Sie bereits neue Investitionsprojekte in der Pipeline?
– Ja, u.a. das „LinguaLeo.ru” (es ist ein personifiziertes Modul für das Erlernen der englischen Sprache) und einen Screen für virtuelle Realität, „Nettle Box“ (nttl.ru), aus Woronesch. In das erste Projekt wurden bereits drei Mio. US Dollar investiert, das zweite Projekt – hier bitte ich die Investoren um ihre Aufmerksamkeit! – wartet noch auf Investitionen.
– Was würden Sie den ausländischen Investoren in Bezug auf die Suche von aussichtsreichen Startups auf dem russischen Markt raten?
– Sie sollten Pressemeldungen aufmerksam verfolgen, bei den Wettbewerben aufhorchen sowie nach Inkubatoren und Technikparks Ausschau halten. Ich würde Ihnen auch die Website „StartupPoint.ru” empfehlen, die sehr ausführlich und informativ über die Projekte auf dem russischen Markt für Innovationen berichtet. Aber beachten Sie, dass dort alles nur auf Russisch steht! Deswegen verweise ich alle Ausländer auf das eben für sie geschaffene Projekt „East-West Digital News“.