— Wann haben Sie begonnen, über Investitionen in den russischen Modemarkt nachzudenken? Und ist TrendsBrands Ihr erstes Projekt in dieser Branche?
— Wir hatten bereits einige Erfahrung in diesem Gebiet. Wir haben erfolgreich in zwei Projekte investiert: in vestiairecollective.com und secoo.com. Beide Start-ups haben sich auf den Verkauf von Spitzenprodukten für die Dame über das Internet spezialisiert. Das erstere war sogar eher ein Social Network für Modeliebhaber. Das Projekt wurde in Frankreich ins Leben gerufen, wurde dann aber zu einem ganzeuropäischen und erstreckte sich dann sogar auf die USA. Das zweite ist ein mehr traditionelles Projekt nach dem Business-Modell von click und mortar, was heißt: Handel sowohl online als auch offline. Heute wächst dieses Start-up in China mit Rekordtempo. Betrachtet man TrendBrands, haben wir eher an asos.com als Muster gedacht, für das es in Russland noch kein Analogon gab. Wir arbeiten auch zurzeit in diese Richtung, obwohl uns das Online-Konzept attraktiver erscheint. Doch ich schlage vor, auf dieses Thema Anfang Juli noch einmal zu sprechen zu kommen; wir werden zu diesem Zeitpunkt interessante Neuigkeiten haben.
— In Russland sind, der allgemeinen Ansicht nach, Klone von westlichen Start-ups für ausländische Investoren attraktiver. Ist das so?
— Ich bin auf dem Markt für Direktinvestitionen bereits seit einem Vierteljahrhundert tätig und weiß, dass man sich dort vorsichtig fortbewegen muss, Schritt für Schritt. Und aus jedem Schritt müssen nachher Lehren gezogen werden. Deshalb haben wir in Russland mit der Geschäftsentwicklung nach unseren europäischen Start-ups begonnen: believedigital.com , crocus-technology.com, viadeo.com und einige andere. Danach gingen wir aber bereits über auf Direktinvestitionen in russische Projekte: wmj.ru , oktogo.ru , pixonic.ru ; trendsbrands.ru и mamsy.ru. Hierbei stützten wir uns auf die Annahme, dass Russland dem Westen etwas hinterherhinkt und dass man diesen geringeren Entwicklungsgrad auf dem russischen Markt für aktuelle Business-Modelle nutzen kann, wenn man davon ausgeht, dass unsere russischen Teams diese Modelle an den lokalen Markt anpassen können. Insgesamt bin ich sicher, dass, wenn man entsprechende Erfahrungen gesammelt hat, im Idealfalle zusammen mit einem russischen Partner, in einzigartige Projekte investieren kann, von denen es in Russland sicherlich hinreichend viele gibt.
Ich bin auf dem Markt für Direktinvestitionen bereits seit einem Vierteljahrhundert tätig und weiß, dass man sich dort vorsichtig fortbewegen muss, Schritt für Schritt.
— Sie investieren auch in Biotechnologien. Haben Sie in diesem Bereich etwas Passendes in Russland gefunden?
— Unser letzter Fonds, der Ventech Capital III, hatte zwei Subbereiche: IT und Bio-Tech. Beide hatten eine sehr gute Performance. Unsere Investoren bestanden darauf, die beiden Bereiche in einzelne Fonds auszulagern. Das gemischte Konstrukt sagte Ihnen nicht mehr zu. Wir entschieden, dass vor dem Hintergrund der europäischen Depression gleich zwei große Fonds aufzumachen, sich nicht lohnen würde. So konzentrierten wir uns auf IT.
— Welche Ihrer Projekte waren die erfolgreichsten? In welchem Marktsegment, in welchem Land?
— Den größten Erfolg haben wir in China. Das Unternehmen jumei.com wurde bei seiner IPO an der NYSE Mitte Mai auf 3,2 Mrd. US Dollar geschätzt. Heute beläuft sich der Wert bereits auf 4 Mrd. US Dollar. In Europa hatten wir allein 50 erfolgreiche Investment Paybacks sowohl in Form von Mergers und Aquisitions als auch von IPOs. In Europa rechnen wir mit einer Verdoppelung der Investitionen. Doch in China kann das noch viel mehr sein!
Organisatorisch unterteilen wir uns in zwei Fonds: einer mit Fokus Europa und seine Nachbarn, der andere mit Fokus Kontinentalchina.
— Wie stark unterscheidet sich das Kundenverhalten in den USA von dem in den Ländern, in denen Sie tätig sind? Welcher der Märkte ist dem russischen am ähnlichsten?
— Wir sind an rein amerikanischen Firmen nicht interessiert. Es wäre nicht schlau, mit den amerikanischen Venture-Capital-Firmen zu konkurrieren. Dennoch ist unsere Company auf dem amerikanischen Markt sehr aktiv. So ist eines unserer bekanntesten Projekte withings.com; die Earnings hier kommen größtenteils aus den USA. Ich glaube nicht, dass die amerikanischen Kunden speziell sind, der Punkt ist einfach nur die Größte des Marktes, der es einer Forma, die eben erst lokal seine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat, ermöglicht, sofort zu einem Weltmarktführer zu werden. Das ist in China dasselbe. Sonst nirgendwo. Doch darf man nicht vergessen, dass sich der amerikanische Markt durch seine harte Konkurrenzsituation und seine Affinität zu neuen Technologien abhebt.
Aus meiner Sicht erinnert der russische Internetmarkt an den chinesischen, jedoch weniger wegen des Volumens, sondern weil es den global führenden Playern schwer fällt, in ihn einzudringen. Der Marktanteil von Google ist verglichen mit dem von Yandex sehr klein, es dominieren die lokalen Social Networks. Dafür gibt es noch weitere Beispiele.
— Wie stark muss die Kontrolle des Venture-Investors gegenüber den Start-ups sein? Wie oft kommen Sie nach Russland?
— In Europa investieren wir in erster Linie in Frankreich und Deutschland. Wir haben Büros in Paris und München mit lokalen Teams. Für die Arbeit in Kontinentalchina haben wir ein extra Team abgestellt, und wir haben ein Büro in Peking, bald auch in Shanghai. Den nächsten Marker auf der Karte soll Russland bekommen, wenn wir genügend Mittel für Team und Büro eingesammelt haben. Allgemein gesprochen, je früher das Stadium, in dem wir investieren, desto mehr ist eine enge Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen unseres Portfolios notwendig, sowie ein Team vor Ort. Soweit sind wir in Russland noch nicht. Ich fliege etwa einmal im Monat nach Moskau. Ich arbeite eng mit den Fonds zusammen, denen ich aber vollends vertraue.
Je früher das Stadium, in dem wir investieren, desto mehr ist eine enge Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen unseres Portfolios notwendig, sowie ein Team vor Ort.
— Ist das Moskauer Business-Klima für Investitionen aus dem Westen günstig?
— Bis vor Kurzem, ja. Und bald wir es das auch wieder sein.
— Wie stark wirkt die Korruption auf ein Business in Russland?
— Wir investieren in ausländische Unternehmen, in denen junge, internationale Teams arbeiten. Da gibt es keine Korruption.
— Wie reagieren Sie auf die politischen Risiken in der aktuellen, nicht einfachen Situation gegenseitiger Abkühlung zwischen dem Westen und Russland aufgrund der Ukraine-Krise?
— Ich interessiere mich wenig für Politik, insbesondere außerhalb der Grenzen meines eigenen Landes, daher vermute ich, dass mein Grad an Informiertheit und Verständnis von Russland, gelinde gesagt, weit entfernt ist vom gewünschten. Zudem schaue ich als Long-Term-Investor grundsätzlich optimistisch in die Zukunft. Trotzdem, das versteht sich, treffen wir Vorsichtsmaßnahmen für den Fall einer unvorhergesehen Situation. Zudem hören wir den Vorschlägen der Investoren selbst zu.
— Erfährt das Venture-Business hinreichende Unterstützung vonseiten der russischen Regierung?
— Ehrlich gesagt, weiß ich noch gar nicht so genau, welche Möglichkeiten in Russland für Venture-Investoren vorgesehen sind. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht in der Arbeit mit Crocus.com, unserem größten russischen Projekt. Wir hätten dieses aus zwei Quellen finanzieren können: aus amerikanischen Investitionsfonds und Institutionen oder aus russischen. Wir wählten die Zusammenarbeit mit „Rosnano“ als die interessantere Alternative.
Russland und die GUS sind sehr gut geeignet sowohl für die Business-Entwicklung unserer europäischen Unternehmen als auch für Direktinvestitionen.
— Was würden Sie ausländischen Investoren raten, die vorhaben, in Russland zu investieren.
— Ich bin kein Freund davon zu belehren und Ratschläge zu geben. Ich kann nur sagen, dass Russland und die GUS sehr gut geeignet sind sowohl für die Business-Entwicklung unserer europäischen Unternehmen als auch für Direktinvestitionen. Doch hängt der Erfolg wie immer davon ab, wie gut man geeignete Leute finden und ein eingeschworenes internationales Team zusammenstellen kann.