Situation 1
Ein deutsches und ein russische Unternehmen schlossen einen Lizenzvertrag ab, nach welchem in Russland Anlagen auf der Grundlage technologisch einfachen, aber wichtigen Knowhows aus Deutschland hergestellt wurden. Aber nach einigen Jahren wurden trotz weiterer Produktion in Russland keine Lizenzgebühren mehr an das deutsche Unternehmen bezahlt. Es stellte sich heraus, dass das russische Unternehmen mit den deutschen Mustern identische Press-Formen hergestellt hatte und die produzierten Anlagen jetzt mit seinem eigenen Logo versieht.
Wenn ein Warenzeichen in einem der Länder Europas oder Amerikas geschützt ist, bedeutet das nicht automatisch, dass dieses Recht auch in Russland (oder in einem anderen Land der Welt) gewahrt ist. Nach der Registrierung im eigenen Land sollte Ihr Warenzeichen auch bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) gemäß dem „Madrider Beschluss über die internationale Registrierung der Warenzeichen“ registriert werden. Die Russische Föderation erkennt diesen Beschluss an.
In Russland bauen Geschäfts- auf persönlichen Beziehungen auf. Ein Sprichwort lautet: „Wir arbeiten nicht mit einer Firma, sondern mit Menschen“.
Wenn ein ausländisches Unternehmen beim Eintritt in den russischen Markt noch nicht bei der WIPO registriert ist, würde ich ihm empfehlen, seine Warenzeichen, Technologien und andere Erscheinungen des geistigen Eigentums entsprechend der russischen Gesetzgebung registrieren zu lassen. Wenn dies versäumt wird, wird im Falle einer unerlaubten Nutzung Ihrer exklusiven Produkte vonseiten eines anderen Unternehmens es ziemlich schwierig bis unmöglich sein, ihre Rechte zu schützen. Im oben beschriebenen Fall behauptete das russische Unternehmen in Bezug auf die Anschuldigungen der deutschen Firma, es hätte ein russisches Patent auf die besagte Erfindung bekommen. Und falls die Deutschen dann in einem anderen russischen Werk diese Press-Formen für ihre Produktion verwenden würden, müssten diesmal sie die Lizenzgebühren an ihre ehemaligen russischen Geschäftspartner zahlen.
Und noch etwas, was die ausländischen Investoren wissen müssen: In der russischen Gesetzgebung fehlt faktisch die Regelung, die eine Registrierung von Unternehmen mit dem gleichen Namen verbietet. Deswegen kommt es immer wieder vor, dass Klon-Unternehmen oder Firmen mit fast gleichem Namen entstehen. Um diesem Fall entgegenzuwirken, sollte man sein Warenzeichen entweder bei der WIPO oder bei Rospatent registrieren lassen.
Situation 2
Ein ausländisches Unternehmen beauftragte eine Rechtskanzlei, Informationen über seinen Geschäftspartner zu sammeln. Doch unter den gesammelten Informationen fand es auch seine eigenen Dienstnummern wieder. Es stellte sich heraus, dass einer ihrer Topmanager seine eigene Firma gegründet hatte und seine Dienstnummern als Kontakt angab, denn er war ja immer noch beim Unternehmen beschäftigt.
Ein direktes Verbot, seine eigene Firma zu haben, wenn man gleichzeitig ein Angestellter ist, gibt es in der russischen Gesetzgebung nicht.
Zu unseren Dienstleistungen gehört auch die Informationsbeschaffung bezüglich der Kreditwürdigkeit von Personen, und wir haben bereits einige solcher Fälle erlebt. Wie lassen sich solche Situationen vermeiden? Ein direktes Verbot, seine eigene Firma zu haben, wenn man gleichzeitig ein Angestellter ist, gibt es in der russischen Gesetzgebung nicht. Sogar wenn die eigene Firma des Mitarbeiters in direkter Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber steht, ist dies nach dem russischen Arbeitsgesetzbuch noch immer kein Grund für eine Kündigung. Daher ist es nur mithilfe interner Verträge möglich, das Unternehmen abzusichern und Einfluss auf die Mitarbeiter auszuüben. Im besagten Unternehmen wurden solche Verträge erst nach der Auflösung der entstandenen Situation eingeführt.
Und noch ein anderes Beispiel: In einem ausländischen Unternehmen wurde die Tätigkeit einer Chefbuchhalterin kritisiert, weil sie mit ihrer Arbeit offensichtlich nicht fertig wurde. Man nahm sie genauer ins Visier und es stellte sich dabei heraus, dass sie parallel noch einer anderen Tätigkeit nachging. Die russische Gesetzgebung verbietet dies nicht, es existiert dafür sogar ein spezieller Begriff, der der „Nebenbeschäftigung“. Aber in diesem Unternehmen wurden interne Verträge vereinbart, wo u.a. die Benutzung der Büroanlagen und -programme geregelt wurde. Die außerdienstliche Verwendung von Büroanlagen und -programmen war daher in diesem Unternehmen nur nach einer schriftlichen Erlaubnis seitens des Generaldirektors möglich. Die Chefbuchhalterin verwendete aber das auf ihrem Rechner installierte Programm „1S: Buchhaltung“ ohne Erlaubnis. Diese Tatsache diente daher als Kündigungsgrund: Sie verletzte das interne Verbot, firmeneigene Büroanlagen und -programme für private Zwecke, die von der Hauptbeschäftigung abweichen, zu verwenden. Später wurde diese Angelegenheit vor Gericht ausgetragen, das die Rechtskräftigkeit der Kündigung vonseiten des Unternehmens bestätigte.
Ein Mitarbeiter verletzte das interne Verbot, firmeneigene Büroanlagen für private Zwecke, die von der Hauptbeschäftigung abweichen, zu verwenden.
Situation 3
Ein ehemaliger Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens fand in einer anderen Firma, die ein ähnliches Tätigkeitsfeld abdeckt, Arbeit, und nutzte dort den mitgenommenen Kundenstamm und standardisierte Formulare.
In Russland ist es nicht möglich, vertraglich zu vereinbaren, dass ein Mitarbeiter nach seiner Kündigung keine Geschäftsbeziehungen mit konkurrierenden Firmen und Organisationen eingehen und ihnen keine vertraulichen Informationen preisgeben darf. Genauer gesagt, man kann natürlich einen solchen Vertragspunkt aufnehmen, aber dieser wird juristisch keine Gültigkeit haben. Und außerdem wird sogar bei den Stellenausschreibungen extra angegeben, dass ein „gut ausgebauter Kundenstamm für einen Bewerber von Vorteil ist“. Und es ist auch gar nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Business in Russland oft auf persönlichen Beziehungen basiert. Ein Sprichwort lautet: „Wir arbeiten nicht mit einer Firma, sondern mit Menschen“.
Und noch eine Variante: Ein ehemaliger erfahrener Spezialist aus einem Großkonzern gründet sein eigenes Unternehmen und nutzt dort sein Knowhow. Und auch in dieser Situation kann man ihn nicht rechtlich belangen, obwohl es faktisch so ist, dass der Konzern seinen eigenen Konkurrenten gezüchtet hat.
In der russischen Gesetzgebung fehlt faktisch die Regelung, die eine Registrierung von Unternehmen mit gleichem Namen verbietet.
Was kann man zur Verminderung solcher Risiken tun?
Man sollte das Prinzip des Geschäftsgeheimnisses wahren und interne Regelungen für eine Zugangsbeschränkung zu internen Informationen ausarbeiten. Es mag auf den ersten Blick als übertrieben bürokratisch erscheinen, aber so ein Vorgehen ist objektiv gesehen der einzig richtige. Und die Mitarbeiter sollten einen Vertrag über ihre Verschwiegenheit und Wahrung der Geschäftsgeheimnisse unterschreiben.
Situation 4
Ein italienischer Unternehmer merkte, dass seine russischen Mitarbeiter sich insgesamt sehr passiv verhielten: Sie zeigen keine Initiative und kritisieren ihn nicht, auch wenn er diskussionswürdige Lösungen vorschlug. Diese Tatsache machte ihn stutzig und unruhig: War das der Unwille, zur Unternehmensentwicklung beizutragen, oder eher das Fehlen eines Arbeitsgemeinschaftssinns im Unternehmen?
Das Fehlen von Initiative und kritischen Bemerkungen dem Vorgesetzten gegenüber bedeutet nicht automatisch, dass den Mitarbeitern die Erfolge ihres Unternehmens egal sind – die Mitarbeiter fühlen sich einfach nicht im Recht, sich so aktiv zu verhalten. In Russland ist das Hierarchiegefüge am Arbeitsplatz sehr stark entwickelt.
Die Russen vermeiden es, ihrem Chef Fragen zu stellen. Auch in den Fällen, wo sie etwas nicht verstehen und die Fragen sogar durchaus angebracht wären.
Man sollte auch berücksichtigen, dass viele Russen sich scheuen, ihrem Chef Fragen zu stellen. Auch in den Fällen, wo sie etwas nicht verstehen und die Fragen sogar durchaus angebracht wären. Und dies betrifft nicht nur einfache Mitarbeiter, sondern auch Leiter im mittleren und im Topmanagement: Sie haben Angst zuzugeben, dass sie etwas nicht wissen und deswegen als inkompetent gelten könnten. Daher sollte der Leiter in einem russischen Unternehmen die Initiative übernehmen und gezielt nachfragen, ob bestimmte Details klar geworden sind. Eine amerikanische Unternehmerin zum Beispiel machte im Laufe eines Meetings bei der Besprechung der Ziele des Unternehmens eine kleine Pause und stellte ihren Mitarbeitern dann konkrete Fragen. So kam im Laufe einer lockeren Unterhaltung heraus, inwieweit ihre Mitarbeiter sie tatsächlich verstanden hatten.
Es gibt auch eine Menge Maßnahmen, die Situationen, in denen von den Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge erwartet werden, entspannen können. Man könnte es am Anfang mit einem speziellen Briefkasten für anonyme Vorschläge und Kritikpunkte probieren – für die meisten aktiven Mitarbeiter wäre dies die attraktivste Lösung des Problems. Es lohnt sich auch, Wettbewerbe für den besten Vorschlag in Bezug auf Verbesserungsmöglichkeiten in einer Abteilung oder im ganzen Unternehmen zu veranstalten. Und natürlich sollten die besten Verbesserungsvorschläge dann durch finanzielle Anreize gefördert werden.