Situation 1
Die Moskauer Niederlassung eines deutschen Unternehmens wurde von einem Generaldirektor aus Moskau geführt. Er leistete gute Arbeit, es gab nichts zu beanstanden. Doch urplötzlich reichte er seine Kündigung ein, woraufhin man ihn gemäß der russischen Rechtslage nach einem Monat gehen lassen musste. Nun hatte er auch noch zwei Wochen Urlaub übrig, was bedeutete, dass er faktisch bereits nach zwei Wochen gehen würde. In Deutschland bleiben dem Unternehmen in der Regel drei, sechs, wenn nicht sogar zwölf Monate Zeit. Für die Deutschen kam das Ganze deshalb äußerst unerwartet. Sie waren schockiert und wussten nicht, was sie tun sollten. In zwei Wochen, auch in einem Monat, findet man keinen Ersatz.
In Russland bieten Beratungsfirmen Dienstleistungen an in Bezug auf die Auswahl eines Interims-Generaldirektors oder die zeitweise Wahrnehmung der Aufgaben des Generaldirektors selbst, also ein Outsourcing der Funktion des Generaldirektors. In diesem Bereich bieten auch wir unsere Dienstleistungen an: entweder als Firma oder per Entsendung unserer Angestellten die Funktion des Generaldirektors wahrzunehmen. Für Deutsche ist das neu - dass die Position eines Generaldirektors nicht nur von einer natürlich Person bekleidet werden kann (wie in Deutschland), sondern auch von einer juristischen. Im gegebenen Fall hat der Kunde die Variante der juristischen Person vorgezogen, in der wir für den Kunden zur beherrschenden Unternehmung werden und die Funktion der Geschäftsleitung in unsere Organisation übergeht. In dieser Zeit wurde in Deutschland ein neuer Kandidat ausgewählt und entsprechend vorbereitet. Er kam nach Moskau und übernahm den Posten.
Es gibt noch eine zweite Besonderheit in Bezug auf die Position des Generaldirektors bzw. des Geschäftsführers: In Deutschland ist es legal, dass sich mehrere Personen diesen Posten zur selben Zeit teilen. So können zum Beispiel Dokumente im Vier-Augen-Prinzip von zwei Personen unterzeichnet werden müssen. Oder jeder der Geschäftsführer hat sein Ressort: Während der eine eher kaufmännischer Geschäftsführer ist, ist der andere eher für den technischen Bereich zuständig. In Russland konnte bisher immer nur eine Person Generaldirektor sein, und der war dann für alles zuständig, eine sehr große Verantwortung, die nicht jeder bereit ist zu übernehmen. Der Kandidat aus Deutschland musste sich mit den Aspekten der russischen Gesetzgebung vertraut machen, die seine zukünftige Tätigkeit als Generaldirektor in Moskau betreffen. Seit Herbst diesen Jahres erlaubt die zivile Gesetzgebung nun aber auch das Einsetzen von mehreren Generaldirektoren. Wir erwarten hier noch Konkretisierungen, damit klar wird, wie diese Norm in der Praxis umzusetzen sein wird.
In jedem Falle sollte sich aber die deutsche Firma bei der Wahl des Generaldirektors Zeit lassen und nicht den erstbesten Spezialisten auf dem Markt nehmen. Besser sollte man sich mit einer temporären Outsourcing-Lösung die Zeit für eine optimale Kandidatenauswahl schaffen.
Situation 2
Eine deutsche Unternehmung stellt Qualitätsautoteile her. Zwar ist die Produktion eher klein, und die Belegschaft beläuft sich auf nur 500 Mitarbeiter, doch ist die Firma in ihrer Nische Weltmarktführer. Ihre Teile finden sich in jedem dritten Automobil. Im Unternehmen interessiert man sich für den russischen Markt, doch erscheint dort eine Filiale zu eröffnen als ein zu großes Projekt. Deshalb schaut man sich nach einem geeigneten russischen Partner um. Die Repräsentanten eines potentiellen Geschäftspartners kommen nach Deutschland und sind überrascht von dem, was sie vorfinden: eine kleine Fabrik in der Provinz. Die Verhandlungen geraten ins Stocken.
Für russische Unternehmen, die in Verhandlungen mit dem Westen einsteigen, ist es ratsam, im Vorhinein einen Experten zu konsultieren, der weiß, wie solche Gespräche am besten zu führen sind. Doch gilt dasselbe auch in die andere Richtung: Auch für westliche Unternehmen ist es sinnvoll, sich im Vorhinein mit den Besonderheiten von Geschäftsgesprächen mit Russen zu beschäftigen. Im gegebenen Fall haben wir dem Kunden geraten, den Chef der russischen Firma zu sich einzuladen und ein Treffen auf höchster Ebene stattfinden zu lassen. Den hohen Gast dann von Flughafen, wenn möglich sogar von der Gangway, mit einer Limousine abholen und am Fabriktor auf eine Delegation von Leitenden treffen lassen. Nach den Verhandlungen dann ein Abendessen in einem teuren Restaurant usw. Dies erzeugt bei dem russischen Geschäftsmann einen vollkommen anderen Eindruck, und die Vertragsunterzeichnung rückt näher.
Für westliche Unternehmen ist es sinnvoll, sich im Vorhinein mit den Besonderheiten von Geschäftsgesprächen mit Russen zu beschäftigen.
Russischen Unternehmern sind Imageaspekte wichtiger als ihren westlichen Kollegen, die sich weniger mit Statusfragen auseinander setzen. Beim Betreiben seiner Geschäfte in Russland muss man unbedingt auch das notwendige Augenmerk auf das Thema PR legen. Russische Geschäftspartner haben eine bestimmte Erwartung in Bezug darauf, wie ein blühendes westliches Business auszusehen hat. In dem, was folgt, lassen sich diese Vorstellungen möglicherweise korrigieren. Doch sollte man sie am Anfang eher bedienen. Die richtige PR kann Dinge in Russland merklich beschleunigen.
Situation 3
Eine westliche Unternehmung ist in Russland tätig, wo sie viele Partner und Subkontraktoren hat, von denen offenbar keiner von den Sanktionen betroffen zu sein scheint. Doch wie soll man das verifizieren? In der westlichen Firma beginnt man, Informationen aus Registern und anderen Quellen zu ziehen, doch stellt man bald fest, dass dies sehr aufwändig und zeitintensiv ist und dabei nur wenig herauskommt, da es eine Unmenge an Dokumenten gibt, die jedoch immer nur Teilinformationen beinhalten. Einfach weiterzumachen wie bisher, birgt jedoch das Risiko von Strafen, und die sind nicht gering. Ein schier unlösbares Problem.
Die Unternehmung wandte sich an uns, und wir fanden eine Lösung. Unsere IT-Spezialisten haben ein Programm entwickelt, das es erlaubt, aus dem Staatlichen Einheitsregister juristischer Personen mit Rechnungslegungshistorie die Organisationsstrukturen und -verbindungen praktisch jeder beliebigen russischen Organisation zu ziehen. Im gegebenen Falle stellte sich heraus, dass einer der russischen Partner, der Schrauben und anderes Befestigungsmaterial lieferte, indirekt unter die Sanktionen fiel. Es war daher notwendig, den Subkontraktor zu wechseln, was aber nicht besonders schwierig war. Hätte man diesen Wechsel nicht vorgenommen, hätte dies eine empfindliche Strafe nach sich ziehen können.
Alle westlichen Unternehmen wissen über die Sanktionen Bescheid, doch wissen sie leider nur wenig über die Probleme, die aus ihnen entstehen können.
Alle westlichen Unternehmen wissen über die Sanktionen Bescheid, doch wissen sie leider nur wenig über die Probleme, die aus ihnen entstehen können. Auf den Sanktionslisten der USA und der EU stehen etwa 200 russische natürliche und juristische Personen. Wären dies alles Großunternehmer und große Organisatoren, hätte man bei einer kleinen oder mittleren Firma nichts zu befürchten. Doch so ist es nicht. Viele verbundene mittlere Unternehmen fallen unter die Sanktionen. Hier durchzublicken ist äußerst schwierig. Doch bieten in Russland tätige Beratungsfirmen entsprechende Services an, und diese sollte man wirklich nutzen.