— Als ich meinen Job in Moskau angetreten bin, war ich bereits 34 Jahre bei Mitsubishi Electric, - sagt Furuta-San. Nach den Unternehmensregeln war das das Alter, mit dem ich nach Japan zurückkehre und am ehesten die Leitung eines verbundenen Unternehmens übernehme. Doch wollte ich meine Arbeit fortsetzen und noch etwas Neues ausprobieren, etwas Perspektivenreiches, Ambitioniertes. Die Geschäftskultur und die Traditionen einer Unternehmensführung in Russland unterschieden sich davon, was ich in Westeuropa gesehen hatte, und auch davon, wie ich bis dahin zu arbeiten gewohnt war. Die 2014 in Moskau gegründete Mitsubishi Electric (RUS) war noch eine sehr junge Company, und ich beschloss, dass ich hier meine Steuerungserfahrung einbringen wollen würde. So fielen die Vorstellungen meiner Firma und meine eigenen also aufeinander.
— Ein wesentlicher Teil der Produktion von Mitsubishi Electric sind Industriegeräte für recht große Unternehmen. Arbeiten Sie auch mit kleinen und mittleren Unternehmen zusammen?
— Ja, doch ist schwer zu sagen, welchen Teil unseres Geschäftes diese ausmachen. Wenn man über die Endkunden für unsere Produktion spricht, so sind das in der Regel größere Unternehmen. Gleichzeitig verfügen wir über ein weit verzweigtes Partnernetzwerk: Distributoren, Händler und Systementwickler. Dies sind dann eher kleinere Unternehmen.
— Sie sagten, dass sich das Business in Russland vom westeuropäischen unterscheide. Wo liegen da die Hauptunterschiede?
— Wenn wir über Strategie oder Business-Politik sprechen, ist das alles sehr ähnlich. Die Hauptbesonderheit liegt nach meinem Dafürhalten darin, dass Russland ein großes Land mit großen Möglichkeiten ist. Insbesondere in Bezug auf das Thema Infrastruktur, die kommunalen Haushalte, Energetik, Transport…
— Unterscheidet sich der russische vom europäischen oder japanischen Nachfrager?
— Ich glaube, dass die Nachfrager auf dem russischen Markt in zwei Gruppen eingeteilt werden können. Er großer Teil ist auf die weniger teuren Produkte ausgerichtet. Der kleinere Teil, das sind diejenigen, die es sich leisten können, Waren und Dienstleistungen aus dem höheren Preissegment zu kaufen. Ich, so muss ich zugeben, war etwas überrascht, dass sich japanische Technik in Russland einer so großen Beliebtheit erfreut.
— Obwohl sie recht teuer ist?
Unsere Qualität wird auf dem Markt geschätzt. Es gibt Potenzial für Wachstum.
— Da haben Sie recht. Die Produktion von Mitsubishi Electric gehört dank der hohen Zuverlässigkeit, Qualität, der Anwendung der progressivsten Technologien und dem Kundenservice-Niveau zum Premium-Segment. Die Strategie des Unternehmens sieht keine Preissenkungen vor, sondern die Senkung der Kosten über den Life Cycle der Produktion, Servicing-Kosten und Reparaturkosten für das Equipment. Bis vor Kurzem wurden diese Werte von den russischen Kunden stetig nachgefragt und hoch geschätzt. Doch wegen der Abwertung des Rubels sind Kaufkraft und Investitionsniveau im russischen Business zurückgegangen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass der Konkurrenzdruck auch vonseiten der koreanischen und chinesischen Unternehmen anwächst. Doch wird unsere Qualität, die man nicht ohne Jahrzehnte lange mühsame und zielgerichtete Arbeit unter signifikanten Investitionen und Forschungsaufwendungen einfach reproduzieren kann, auf dem russischen Markt weiterhin geschätzt. Wir sind sicher, dass wir uns weiter erfolgreich entwickeln werden und unsere Marktposition in Russland noch verbreitern werden.
— In Russland hat man Kurs auf die Importsubstitution genommen. Hat das Einfluss auf die Pläne und Strategien Ihres Business in Russland?
— Das Thema Importsubstitution und Verlegung der Produktion hierher ist uns gut bekannt. Unsere Unternehmung versteht das Bestreben der russischen Regierung, den Prozess zur Schaffung einer Binnenproduktion, die die Nachfrage des russischen Marktes decken kann, und Investitionen anzuziehen für die Entwicklung der lokalen Produktion, die sich am zukünftigen, durch die neue Industrialisierung entstehende Marktpotenzial ausrichtet. Das können wir natürlich in unserer Strategie nicht außer Acht lassen.
Aus Sicht von Mitsubishi Electric wird hierdurch in erster Linie der reale Sektor der Wirtschaft und die russischen Produktions-Brands gefördert. Als Hersteller von Produktionsmitteln sind wir auf eine aktive Unterstützung dieses Prozesses ausgerichtet. So sind zum Beispiel unsere Lösungen im Bereich Automatisierung wichtige, wenn nicht Schlüsselkomponenten einer effektiven Hi-Tech-Produktion. Im Wesentlichen kann mit Hilfe von Equipment mit der Aufschrift „Made in Japan“, das dann harmonisch in eine Produktionskette „Made in Russia“ eingebettet wird, die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit letzterer gewahrt und hierdurch erfolgreich an der Lösung übergreifender nationaler Fragestellungen gearbeitet werden.
Leider ist in Russland und den Staaten der GUS die Nachfrage nach unserer Produktion noch nicht ausreichend, um eine eigene Montagestätte zu eröffnen, die die Nachfrage der russischen Kunden unter Wahrung japanischer Qualität sicherstellen könnte. Daher ist unsere grundlegende Strategie, das technische und produktive Potenzial russischer Unternehmungen zu entwickeln. Dies soll geschehen mit Hilfe von Joint Ventures mit Systemintegratoren, Technologie- und Kompetenzübertragungen, Fusionen und Akquisitionen… Wir sind bereit auf das Thema von Großinvestitionen in die russische Wirtschaft zurück zu kommen, sobald hierfür die ökonomischen Voraussetzungen geschaffen sind. Wir sind froh, dass wir dies in gewisser Weise selbst mit ermöglichen.
— Wirken sich die berüchtigten Sanktionen auf Sie aus?
— Eine direkte Auswirkung der Sanktionen auf unser Business haben wir bislang noch nicht gespürt. Die Sanktionen sind einer der Faktoren des gesamtwirtschaftlichen Rückgangs, der sich zweifelsohne auf unsere Geschäftszahlen ausgewirkt hat. Der vergangene heiße Sommer hat das Niveau von verkauften Klimaanlagen unterstützt, jedoch nicht so stark. Zudem ist, wie ich bereits erwähnte, die Konkurrenz mit koreanischen und chinesischen Marken nach wie vor hoch. Dennoch zeigen wir einen Gewinn.
— Mitsubishi Electric hat in Russland neben dem Hauptquartier noch vier getrennte Regionalzweige. Worin liegt ihre Aufgabe?
— Das erste Büro dieser Art haben wir 2007 in Jekaterinburg für die Arbeit in der Uralregion und die Hebung des großen Potenzials dieses regionalen Marktes für unser Business im Bereich Klimaanlagen und Ventilation eröffnet. Wir brauchten Spezialisten für den lokalen Technik-Support unserer Kunden.
Danach haben wir das Büro in Sankt Petersburg eröffnet. Und wieder sind wir dabei unseren Kunden gefolgt: Einige japanische Autohersteller haben sich in dieser Region mit ihren Werken angesiedelt, und dort wurden unser Automatisierungs-Equipment verwendet.
Letzten Endes haben wir die Infrastruktur erhalten für den Eintritt in die regionalen Märkte anderer Business-Ausrichtungen. In Jekaterinburg arbeiten heute auch Spezialisten im Bereich Industrie-Automatisierung, in Sankt Petersburg auch für Klimaanlagensysteme. Die Niederlassungen in Ufa und Krasnodar, eingerichtet im vergangenen Jahr, arbeiten an der Entwicklung des Business im Süden Russlands und im Wolgagebiet, wo wir großes Potenzial sehen für das Wachstum unserer Sales.
— Mitsubishi Electric hat ein Memorandum über die Zusammenarbeit mit der Moskauer Technischen Universität „N. E. Bauman“ unterzeichnet. Auch in etwa drei Dutzend russischen Universitäten hat das Unternehmen Ingenieur-Zentren eröffnet, die mit Schaukästen und Ständen von Ihnen ausgestattet sind. Was ist der Nutzen hieraus für die Firma?
— Bildung zu unterstützen, ist Teil der globalen Politik von Mitsubishi Electric im Bereich Corporate Social Responsibility, zusammen mit den Themen Importsubstitutionen und Produktionsverlegung. Wir nehmen am Ausbildungsprozess der zukünftigen Ingenieurselite des Landes teil und versuchen, bei ihnen eine Bindung für die Nutzung von hochqualitativen Komponenten und Technologien zu schaffen und ihnen solche Begriffe wie Life-Cycle-Cost und Qualität einzuimpfen. Wir glauben, dass genau diese Elemente unabdingbare Bedingungen für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung Russlands sind. Außerdem sind unsere Laboratorien und technischen Zentren gleichzeitig Support Center für unsere regionalen Partner und Kunden. Wichtig ist auch, dass die Zusammenarbeit mit den einschlägigen Hochschulen uns noch mehr die Möglichkeit gibt für die Erarbeitung von einzigartigen technischen Lösungen, die auf der Nachfrage der Kunden in den einzelnen Regionen Russlands basieren.
— Wie viele Mitarbeiter haben Sie in der Unternehmung?
— In Moskau etwa 100.
— Sind da viele Russen dabei?
— Abgesehen von zwei Japanern, von denen ich einer bin, sind die Mitarbeiter unserer Firma Russen.
— Wie wählen sie ihre Mitarbeiter aus?
— Wir haben eine Mitarbeiterin für Personalauswahl. Auf Anfragen der Organisationseinheiten wählt sie Kandidaten aus. Früher haben wir mit Personalagenturen zusammen gearbeitet, doch, nun ja, da haben wir schnell negative Erfahrungen gemacht. Schauen Sie, wenn ein Mitarbeiter des Unternehmens selbst die Auswahl trifft, dann wählt er nicht nur einen Mitarbeiter, sondern auch einen Kollegen aus. So schaut unsere erwähnte Mitarbeiterin nicht nur auf Erfahrung und Kenntnisstand, sondern richtet sich auch nach Werten und unternehmenskulturellen Aspekten.
Jeder Neuangestellte erhält von uns Hilfe beim Einleben, wobei verschiedene Methoden zur Anwendung kommen. An seinem ersten Tag erhält er ein „Buch für den neuen Mitarbeiter“ – eine Broschüre, in der alle für ihn wichtigen Informationen zusammengefasst sind. Ein Mitarbeiter der Abteilung macht ihn vertraut mit dem Büro und stellt ihn den Kollegen aus den anderen Abteilungen vor. Dann erfolgt eine Schulung zum Thema Informationssicherheit. Wenn zur selben Zeit eine größere Anzahl neuer Mitarbeiter anfängt, setzen wir einen breiteren Einführungskurs auf. Diejenigen, die das Englische hinreichend gut beherrschen, haben die Möglichkeit, Kurse zu besuchen.
— Haben Sie selbst sich leicht in Moskau einleben können? Die russische Mentalität unterscheidet sich ja doch von der japanischen…
— Anfangs war es ziemlich schwer. Insbesondere in Bezug auf die Sprache, die Traditionen, den Straßenverkehr und aufgrund der Entfernung zu meinen Freunden. Doch bereits nach einen Jahr hatte ich mich an alles gewöhnt und heute genieße ich das Leben in Moskau. Vielleicht ist es mein Charakter – aber ich liebe es, etwas Neues kennenzulernen, andere Gedanken zu fassen und andere Menschen kennen zu lernen.
Im Vergleich zu den Japanern sind die Russen aus meiner Sicht praktischer orientiert. In gewisser Hinsicht fühle ich mich hier wohler als in Japan: Man muss nicht zu viel Zeit auf das Privatleben des Nachbarn verwenden, weil auch das meine nicht so sehr interessiert.
— Das heißt, die Moskowiter belästigen ihre japanischen Nachbarn nicht besonders?
— Ich glaube schon, dass sie neugierig sind: Wir haben doch ziemlich unterschiedliche Kulturen. Doch im Großen und Ganzen ist die Einstellung zu Ausländern in Moskau ganz normal. Man hält sie nicht für etwas Außergewöhnliches.
— Lernen Sie Russisch, oder kommen Sie auch ohne zurecht?
— Ich bin ständig dabei, Russisch zu lernen, doch fällt mir das nicht leicht. Ich glaube nicht, dass ich als Generaldirektor für den Umgang mit meinen Mitarbeitern unbedingt Russischen sprechen können muss; sie sprechen Englisch. Gleichzeitig entwickelt sich unsere Firma, und ich muss mit lokalen Partnern und Firmen in Kontakt treten. Und mit Kunden spricht man am besten auf ihrer Sprache – so entstehen ein größeres Vertrauen und eine freundschaftliche Beziehung.
— Haben Sie russische Freunde?
— Aktuell ist der Großteil meiner Freunde japanisch. Wenn man die Sprache nicht gut kann, ist es schwierig, unter Russen gute Freunde zu finden.
— hre Familie wohnt mit Ihnen hier?
— Nein, sie sind in Japan geblieben. Doch fahre ich alle zwei bis drei Monate nach Hause, sodass das in Ordnung ist. Manchmal kommen sie auch nach Moskau.
— Was machen Sie am Wochenende oder nach der Arbeit?
— Ich bin in der Regel zu Hause und lese. Ich gehe gern in Restaurants zu Abend essen. Bei schönem Wetter spaziere ich gern durch die Stadt, besuche Museen. Meine Lieblingsplätze, dazu zählt das Museum der Bildenden Künste (A. S. Puschkin) und die Tretjakow-Galerie.
— Ziehen wir ein Fazit: Würden Sie Ihren Kollegen in Japan heute empfehlen, in Russland ein Business zu starten?
— Das hängt vom jeweiligen Business ab. Doch braucht man für ein Business in Moskau, aber auch jeder anderen Region Russlands unbedingt zuverlässige russische Kollegen oder Partner. Sonst wird es ziemlich schwer werden, erfolgreich zu sein.