— In den Medien war zu lesen, dass Sie aus einer internationalen Familie stammen.
— Meine Mutter ist Französin, und mein Vater ist Russe. Sie lernten sich vor 32 Jahren im Schwimmbad „Tschajka“ kennen, nachdem meine Mutter der Arbeit wegen nach Moskau gekommen war. Deswegen habe ich sowohl französische als auch russische Wurzeln. Aber ich habe einen französischen Ausweis und fühle mich als Franzose.
Antoine Galavtine wurde 1985 im französischen La Rochelle an der Atlantikküste geboren. Er war Profisportler im Schwimmen. Im Dezember 2008 stellte die französische Nationalmannschaft bei den europäischen Schwimmmeisterschaften in Kroatien bei der Staffel „vier auf fünfzig“ im Freestyle einen Weltrekord auf und wurde Europameister. Antoine war Teil dieses Viererteams.
Zwischen September 2012 und Dezember 2014 war er bei der Französisch-russischen Industrie- und Handelskammer in Moskau tätig.
Im Dezember 2014 eröffnete er sein eigenes Geschäft in Moskau, eine französische Bäckerei und Konditorei, das Comme à Paris. Seitdem entwickelt und vergrößert er erfolgreich sein Unternehmen und realisiert zahlreiche Business-Ideen.
— Bevor Sie Unternehmer wurden, haben Sie eine glänzende Sport-Karriere gemacht, nicht wahr?
— Dank meinem Vater. Er war Junior-Weltmeister im modernen Pentathlon. Als ich neun war, brachte er mich ins Schwimmbad. Ich erinnere mich an meine erste Tausend-Meter-Distanz. Ich nahm ein Schwimmbrett und schaffte die ganze Distanz auf einmal.
Im Jahre 1997 siedelte unsere ganze Familie nach Moskau über. Meine Mutter hat hier einen Posten angeboten bekommen, sie übernahm die Leitung einer Filiale der französischen Bank BNP Paribas. Sie hatte einen Vier-Jahres-Vertrag. Man kann auch sagen, dass in Russland meine professionelle Schwimmerkarriere anfing. Ich fing an, an Schwimmwettbewerben teilzunehmen. Wir kehrten 2001 nach Frankreich zurück, und ich begann, im föderalen Ausbildungszentrum für Athleten zu trainieren. In der UdSSR hießen solche Zentren Schulen der Olympischen Reserve. Die sportlichen Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
— Ihre Mutter ist Bankerin, Ihr Vater ist Sportler. Und Sie fangen plötzlich an, Brot zu backen?
— Als ich 2001 Russland verließ und nach Frankreich kam, war mir klar, dass ich zurückkommen werde. Das war nur eine Frage der Zeit. Ich mochte Russland schon immer und die Jahre, die ich hier als Kind verbracht habe. Ich habe mich in meine zweite Heimat verliebt. Und 2011 lernte ich ein nettes russisches Mädchen kennen, das später eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen sollte. Das war auch einer der Gründe, nach Russland zu kommen, um hier evtl. für immer zu bleiben.
— Womit haben Sie angefangen, um Ihre Business-Idee zu verwirklichen?
— Seit 2012 lebte ich die ganze Zeit im Südwesten von Moskau. Zuerst in Jasenewo, dann in Konkowo. Einmal erzählte man mir von „Ekomarket“, einem einzigartigen Projekt, wo ein Markt und ein Food-Court mit nationalen Produkten und Spezialitäten aus verschiedenen Ländern zusammenkamen. Man empfahl mir, einen kleinen Raum im Hinblick auf meine Business-Idee zu besichtigen. Ich habe mir den Raum angeschaut und fand ihn gut geeignet. So begann die Geschichte meiner Bäckerei und meiner Marke COMME À PARIS.
In Russland werden Backwaren im Unterschied zu Europa traditionsgemäß seit den 1920er Jahren des letzten Jahrhunderts von den großen Brotfabriken hergestellt, die mit ihrer Produktion bis zu 90% des Gesamtmarktvolumens ausmachen. Aber in den letzten 20 Jahren kommen, u.a. auch im Auftrag von Playern aus dem Westen, Investoren nach Russland, die die Errichtung eines europäischen Mini-Bäckereien-Formats im Sinn haben.
Laut Ergebnissen des Jahres 2015 fiel der Anteil der Industrieherstellung von Backwaren in Moskau auf 64,5%, was einer Herstellung von 542.000 t Backwaren entspricht. Das übrige Produktionsvolumen von 298.000 t entfällt auf die Bäckereien in den Supermärkten, die ihre Backwaren vorrangig aus tiefgefrorenen Halbfabrikaten herstellen, und auf einige kleine Privatbetriebe mit vollem Produktionsumfang. Ausgerechnet dieses Marktsegment entwickelt sich in natura mit einem Wachstum von 8,4% jährlich sehr aktiv. Investitionen für die Eröffnung einer Bäckerei in einem Supermarkt belaufen sich auf etwa 0,5 Mio. Rubel. Das Gros dieser Investitionen entfallen auf die Einrichtung: Gefriertruhe, Proofer, Ofen und Verkaufstheke. Wenn man eine Bäckerei, die mit Halbfabrikaten arbeitet, in eine Bäckerei mit einer Fläche von bis zu 20 m2 mit ihrer eigenen unabhängigen Produktion umwandeln möchte, braucht man zwischen einer und zwei Mio. Rubel, von denen 0,5 Mio. Rubel auf die Anlagen und der Rest auf die Bäckereieinrichtung und die Raummiete in der Zeit der Renovierung und des Produktionsaufbaus entfallen.
Die zweitbeliebteste Form des privaten Bäckerei-Business in Russland ist eine Bäckerei mit vollem Produktionsumfang, deren Produktion über eigene oder befreundete Einzelhandelsgeschäfte oder im HoReCa-Sektor vertrieben wird. Eine solche Bäckerei, die bis zu 500 kg Waren pro Tag auf einer Fläche von 150 m2 produziert, braucht ca. 15 bis 20 Mio. Rubel an Investitionen. Im Bereich der operationellen Ausgaben entfallen 34% auf Rohstoffe, 30% auf Gehälter (bis zu 25 Mitarbeiter) und 9,5% auf Miete und Nebenkosten.
Eine aktive Entwicklung von Bäckereien und Konditoreien in Einem macht sich in den letzten Jahren an der Grenze zwischen dem Bäckerei- und Restaurant-Business bemerkbar. Neben der Organisation einer Backwarenproduktion verfügen sie über grundlegende heiße und kalte Werkhallen, wo u.a. auch Suppen, Salate und Sandwiches hergestellt werden. Neben einer Bar-Speisekarte sowie einer Tee- und Kaffee-Menükarte werden dort auch alkoholische Getränke angeboten. Die angebotenen Getreideerzeugnisse wurden aus besonderen Zutaten und mithilfe besonderer Technologien hergestellt und kosten zwischen 150 und 400 Rubel für 250 bis 400 g der Produktmasse, wobei der Preis um einige Male höher als der übliche Marktpreis ist.
Die Eröffnungskosten für eine Bäckerei und Konditorei in Einem liegen bei 25 bis 35 Mio. Rubel: Über 40% der Ausgaben entfallen dabei auf die entsprechenden Anlagen, ca. 25% auf die Suche, Planung und die Renovierung der Räume mit einer Fläche von ca. 250 m2. Das Projekt zahlt sich innerhalb von drei bis dreieinhalb Jahren aus.
Kurzfristig werden auf dem Markt die privaten Mini-Bäckereien mit vollem Produktionsumfang, welche die Wohngebiete in der Stadt versorgen, immer stärker an Bedeutung erlangen.
— Wie viel Startkapital haben Sie gebraucht, um Ihr Unternehmen zu gründen?
— Etwa eine halbe Million. Das war meine erste Investition. Ich habe mit diesem Geld einen Ofen, einen Gefrierschrank, eine Arbeitsplatte, ein paar Tische und Stühle gekauft und meine Miete bezahlt. Aber das Wichtigste dabei war nicht die Investition in monetärer Hinsicht, sondern der Wunsch, meine Idee zu verwirklichen, der mich dazu antrieb, mit vollem Herzen bei diesem Projekt zu sein. Mir war klar, dass ich mich dieser neuen Herausforderung mit voller Kraft stellen musste, und ich war bereit, alle Hindernisse auf dem Weg der Entfaltung meines Unternehmens zu überwinden. Im ersten halben Jahr musste ich vergessen, was Erholung bedeutet. Ich war die ganze Zeit in meiner Bäckerei. Wenn ich z.B. mal zum Finanzamt oder sonst einfach weg musste, bat ich meinen Nachbarn, der im gleichen Raum arbeitete, auf meine Theke Acht zu geben. Ich war damals ganz auf mich allein gestellt und musste alles allein erledigen: den Einkauf von allen notwendigen Backzutaten für Brot und Gebäck, den Verkauf, die Buchhaltung und sogar die Reinigung der Räume.
— Die Russen haben bereits von der hohen Qualität des französischen Gebäcks gehört. Was ist sein Geheimnis?
— Geheimnisse sind dafür da, um Geheimnisse zu bleiben. Ich kann nur sagen, dass ich bei meinem Gebäck die besten und die qualitativsten französischen Zutaten verwende. Heute backe ich vier Arten von Baguettes und etwa zwölf verschiedene Brotsorten: mit Zerealien, mit Feigen, mit Walnüssen, mit Zitronenschalen und mit Trockenfrüchten. Dabei verwende ich unterschiedliche Mehlarten: Weizen-, Buchweizen-, Roggen- und Gerstenmehl.
— Ist Ihr Unternehmen erfolgreich?
— Ja, ich glaube, dass mein Business ziemlich erfolgreich und aussichtsreich ist. Im Zusammenhang mit unserer Vergrößerung (ich zog in einen größeren und komfortableren Raum um) habe ich ein Mitarbeiterteam angestellt und alle meine Anlagen durch teure und modernere ersetzt. Sogar in Zeiten der heutigen Krise und wirtschaftlichen Marktinstabilität bleibt unsere französische Bäckerei on Top, und unsere Gewinne steigen weiter.
— Und bleibt am Ende auch etwas für Sie übrig?
— Wenn man damit den Kauf eines teuren Autos oder einer Immobilie meint, dann ist das für mein Business noch zu früh. Denn heute finde ich es richtig, das Geld in die ständige Verbesserung und Weiterentwicklung meines Business zu investieren. Aber wenn man die Frage in Hinblick auf Komfort in unserer Metropole stellt, dann reicht das Geld für all meine Bedürfnisse.
Im Gegensatz zu Europa, wo in einigen besonders brotreichen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Serbien in einem Bezirk bis zu zehn Privatbäckereien sein können, entwickelt sich der Markt für solche Bäckereien in Russland gerade eben nach der Oktoberrevolution 1917 zum zweiten Mal. Eine Zeitlang wurde die „Brot-Branche“ in Russland ausschließlich von den großen Brotfabriken vertreten. Angesichts der Tatsache, dass diese Branche vom Staat schon immer subventioniert wurde, war das Brot sehr günstig. Daher ist auch der Glaube der Russen, dass das Brot nicht teuer sein sollte, schon fast genetisch veranlagt. In Wirklichkeit ist das nicht so. Und wenn wir über die Betriebe mit vollem Produktionsumfang (d.h. von Mehl bis zu den fertigen Backwaren) oder über die ausschließliche Verwendung einer Starterkultur-Technologie (wie z.B. in unserer Bäckerei) sprechen, dann können die Waren per Definition nicht billig sein. Handarbeit, die Länge des Teiggärprozesses und das Fehlen von automatisierten Produktionslinien machen die Produktion teuer, aber dafür wird das fertige Produkt richtig gesund, wie hausgemacht und lecker.
Die Summe für den Einstieg in unser Geschäft in Moskau und in Russland fällt sehr unterschiedlich aus und hängt von dem jeweiligen Produktions- und Vertriebsmodell ab. Man kann sich auch auf das Fertigbacken vom Tiefkühlbrot konzentrieren, dann braucht man nur einen Ofen und einen Proofer (Kostenpunkt: 50.000 bis 200.000 Rubel, produktivitätsabhängig). Man kann aber auch mit vollem Produktionsumfang arbeiten (Kneten, Zusammensetzen, Aufteilen, Gären und Backen). Fertige Waren können im Einzelhandel oder durch entsprechende Großhandel-Partner-Geschäfte vertrieben werden. Die Rentabilität der ersten Variante kann sich von der Rentabilität der zweiten stark unterscheiden. Aber auch das Ausmaß an Schwierigkeiten und Verwaltungs- und Organisationsaufgaben ist unvergleichbar.
Ich bin der Meinung, dass das ein interessantes, menschliches, nützliches und gesundes Business voller persönlicher und professioneller Herausforderungen ist.
— Sie haben bislang noch keine zweite Filiale eröffnet, aber Sie haben sich raummäßig deutlich vergrößert.
— Die Eröffnung unserer zweiten Filiale ist bereits in Planung. Gerade suchen wir nach einem geeigneten Raum in Zentrumsnähe. Die Fläche meiner Bäckerei hat sich deutlich vergrößert, von 18 m2 auf 50 m2. Heute haben wir einen Raum mit Fenstern und einem separaten Eingang, was unser Lokal zu einem vollwertigen Kaffeehaus macht. Mein Team besteht heute aus drei Mitarbeitern: zwei Konditoren und einem Verkäufer. In Kürze möchte ich noch einen Koch einstellen. Neben Brot und Gebäck bieten wir unseren Kunden seit Oktober letzten Jahres auch Erzeugnisse aus unserer eigenen Patisserie. All unsere Produkte stellen wir aus besten Zutaten vor Ort her. Denn mein Business-Prinzip lautet: Arbeite gewissenhaft und sei ehrlich mit deinen Kunden, dann werden diese zu deinen Stammkunden.
— Und wer sind Ihre Stammkunden?
— Zumeist sind das die Leute, die in Bezirk Konkowo leben. Aber manche kommen zu uns auch aus anderen Bezirken Moskaus. 80% der Kunden sind Stammkunden. Interessant dabei ist, dass das Interesse an meiner Bäckerei COMME À PARIS nach den Berichten in den Medien und meiner Auftritte in TV-Sendungen verstärkt wird. Ausländische Unternehmer, die ihr Business in Russland haben, sollten dies berücksichtigen.
— Was könnten Sie noch denjenigen empfehlen, die ihr Business in Russland starten möchten?
— Ich glaube, dass viele meiner Landsleute Angst vor administrativen Hindernissen haben. Ich habe alle Dokumente in Bezug auf die Unternehmensgründung ganz allein vorbereitet. Ein russisches Beratungsunternehmen half mir bei einigen Dokumenten, obwohl ich auch diese im Alleingang hätte vorbereiten können. Ausländer nehmen für ihre Unternehmensgründung in Russland häufig Dienstleistungen von ausländischen Beratern in Anspruch. So wird z.B. einem Franzosen, der hier sein Unternehmen gründen möchte, sofort angeraten, externe Berater zu engagieren, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Doch die Beraterdienstleistungen dieser Art sind unglaublich teuer. In Wirklichkeit könnte man viele Kosten sparen, wenn man die Vorbereitung notwendiger Dokumente über ein russisches Unternehmen laufen lassen würde. Die einzige Bedingung dabei: ein Unternehmen zu finden, welches bei seinen Dienstleistungen eine hohe Qualität garantiert.
— Wovor haben ausländische mittlere und kleine Unternehmer noch Angst?
— Als ich noch bei der Französisch-russischen Industrie-und Handelskammer in Russland tätig war, gab es da sehr viele Fragen in Bezug auf Arbeitserlaubnisse und die Feinheiten der Visumsregelungen. Die Franzosen meinten, dass in Russland diese Regelungen und Gesetze ziemlich kompliziert seien.
Obwohl ich bereits viele Jahre in Russland verbracht habe, habe ich noch immer eine europäische Mentalität. Alles sollte nach gewissen Regeln ablaufen, und Dokumente müssen perfekt sein. Dies wollte ich immer erreichen. Ich mag es, wenn alles klar ist. Viele gesetzestreue Europäer fühlen das Gleiche; sie möchten hier kein Business ohne Regeln aufbauen. Und alle, die hier ihr Unternehmen gründen, versuchen, alles streng im Rahmen des Gesetzes zu tun.
— Und was haben Sie noch vor?
— Ich möchte einen Online-Shop eröffnen, wo die Kunden meine Produkte erwerben und Bestellungen aufgeben können. Ich plane auch, mich zu vergrößern: Eine Filiale ist gut, aber zwei Filialen sind noch besser.
Ich habe auch vor, meine eigene Zeitung herauszugeben. Sie wird meinem geliebten Frankreich gewidmet und auf Russisch erscheinen. Zuerst werde ich sie in meiner Bäckerei verbreiten, aber wenn das Interesse entsprechend groß ist, werde ich sie auch in anderen Lokalen anbieten. In der Zeitung wird es unbedingt auch um Mode, Beauty, Gastronomie, Reisen und vieles mehr, was schön und gesund ist, gehen. Ich habe hierfür sogar auch einige Autoren, die für mich bereits ca. 90 Texte vorbereitet haben. Ich bin kein professioneller Chefredakteur, aber ich mag diese Business-Idee als solche. Gleichzeitig werden wir auf unserer neuen offiziellen Webseite www.commeaparis.com die Online-Version der Zeitung vorantreiben. Zurzeit überlege ich, ob wir die Inhalte kostenlos oder doch kostenpflichtig anbieten sollten. Mal schauen. Das Eine kann ich aber schon garantieren: die Qualität der Texte!
Ich habe also viele Pläne. Das Wichtigste dabei ist, sie alle zum Leben zu erwecken!