— Wir haben es uns nicht zur Aufgabe gemacht, ein „Uber“ für die Luftfahrt zu entwickeln und die Broker zu eliminieren, – erklärt uns Artur Abadschjan, Geschäftsführer des Unternehmens JetHunter. Wir wollten lediglich den Fluganbietern und den Kunden bei der Lösung ihrer Probleme helfen. Das Internet entwickelt sich zurzeit in Richtung von Peer-to-Peer-Technologien, dabei werden Dienstleistungen von einer Person für eine andere über eine bestimmte Plattform angeboten. Business-Luftfahrt ist eine Branche, die einerseits zu den führenden Branchen im Bereich der technologischen Entwicklung gehören, andererseits eine konservative Arbeitsweise an den Tag legen muss. Das erste, was wir machten, war die Entwicklung eines B2B-Produkts, des Start-ups JetHunter, das es den Kunden erlaubt, ihre Flüge bei den Fluganbietern direkt zu buchen.
Für den Kunden läuft alles ganz einfach ab: Wie man ein Ticket für einen regulären Flug kauft, wie man dafür die Felder mit den entsprechenden Fragen „Von?“, „Nach?“, „Hinflug?“ „Rückflug?“ und „Anzahl der Personen?“ ausfüllt etc. Wenn man alles ausgefüllt hat, wartet man auf die Angebote. Die durchschnittliche Antwortzeit beträgt etwa fünf Minuten. Dabei legen die Flugzeugbesitzer ihre Einsätze abhängig von der Konkurrenz fest. So kann der Preis um 5% bis 8% gedrückt werden. Und wenn man noch das Fehlen von Vermittlern und ihrer Vermittlergebühren hinzurechnet, dann sinkt der Endpreis für den Kunden bereits um 10% bis 20%. Der Kunde kann auch einen virtuellen Spaziergang durch das von ihm ausgesuchte Flugzeug machen, die Catering-Bedingungen und andere Flugbesonderheiten noch einmal überprüfen etc.
Nach Abschluss des Geschäfts bezahlt der Fluganbieter 3,5% der Vertragssumme (im Durchschnitt sind es etwa 30.000 bis 35.000 US Dollar) an den Serviceanbieter. Der ungefähre Gewinn setzt sich zusammen aus der Gesamtanzahl der durchgeführten Versteigerungen (Ende Januar waren es bereits über 3.000).
— Fluganbieter verstehen nicht immer, wie sich ihre Preise zu den anderen Marktpreisen verhalten. Wir geben ihnen die Möglichkeit, ihre Preise vernünftig zu optimieren und den jeweiligen Auftrag zu bekommen. Für sie ist es günstiger zu fliegen als stillzustehen. Denn die Luftfahrt ist ein Business mit einer geringen Gewinn-Marge, und man arbeitet oft so, dass man gerade keine Verluste macht.
Um die Vorteile der neuen Plattform den Fluganbietern klar zu machen, war es nicht genug, den Markt und seine Besonderheiten zu kennen (Artur war acht Jahre lang bei „Aeroflot“, „Lufthansa“, „Austrian Air“ und „Korean Air“ tätig). Die Start-up-Unternehmer telefonierten mit den Fluganbietern, trafen diese persönlich und investierten in Werbung. Die Kosten hielten sich dabei in Grenzen: Sie beliefen sich auf weniger als 50 US Dollar pro Kunde. Und dennoch schaffte es das junge Unternehmen, bald an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. So hatte es im Oktober 2015 ca. 100 Geschäftspartner in seiner Service-Datenbank, und Ende Januar 2016 waren es bereits über 400. Dabei gibt es weltweit ca. 3.000 Fluganbieter insgesamt. Doch es geht dabei nicht nur um finanzielle Gewinne, sondern auch um Geschäftsbeziehungen.
— Wir kontrollieren jede Bestellung. Wir vergleichen automatisch die reale Existenz und die Folgerichtigkeit von angegebenen Daten und Reisestrecken. Wir rufen den Kunden an und stellen sicher, ob er tatsächlich existiert, ob er versteht, was eine Business-Luftfahrt bedeutet und wie teuer sie ist sowie ob er nicht lieber ein Ticket für ein gewöhnliches Flugzeug möchte.
JetHunter ist unser ganz persönliches Projekt, allein was die Investitionen betrifft. Dieser Service wurde vollständig mit einem Eigenkapital von ca. fünf Mio. Rubel gestartet. Der erste Investor ist erst im März dazugekommen, und Anfang Mai wurde der Vertrag unterzeichnet. Partnerin ist Miriam Judowitsch, Business Angel aus Israel.
— Luftfahrt imponiert ihr sehr. Und sie mag technische Neuerungen, die Verhaltensweisen der Verbraucher ändern können. In unserem Fall stehen wir interessanterweise durch unser Produkt B2C ganz nah dem Uber für die Business-Luftfahrt. Miriams Investition war ein Zeichen des Vertrauens in Bezug auf unser Projekt.
Die zweite Investitionsrunde fand im Oktober statt: Dieses Mal haben die Kunden selbst in das Unternehmen investiert. Und das Projekt läuft bislang ganz gut: Der Umsatz für das Jahr 2015 betrug 1,5 Mio. Euro. Der Service trägt sich noch nicht selbst, aber Artur meint, dass das auch noch nicht geplant war.
— Wir bewegen uns entsprechend unseren Erwartungen. Unsere Unit-Economy wird uns helfen, die entsprechende Rentabilität zu erreichen auch ohne des Schemas eines Standard-Online-Services (d.h. wenn man in ein Projekt viel investiert und dann mehrere Jahre wartet, bis sich das Ganze rentiert). Unsere wirtschaftlichen Bedingungen entwickeln sich hinreichend positiv, und wenn wir unseren Absatz steigern, werden wir keine Verluste mehr machen.
Im Moment nimmt die Plattform an einer neuen Investitionskampagne teil. Es wird mit einer groß angelegten Expansion in Richtung externe Märkte gerechnet: der Nahe Osten, Europa, die USA und Asien. In erster Linie ist man aber an dem amerikanischen Markt interessiert.
— In den USA befinden sich 50% des weltweiten Marktes für Business-Luftfahrt. Und wir wissen genau, was der dortige Verbraucher braucht und was man dort machen muss. In den USA schätzt man neue Technologien, und die Liquidität ist hoch. Die amerikanische Mentalität zeigt sich u.a. darin, dass die Menschen dort bereit sind, neue Produkte auszuprobieren.
Wichtig ist außerdem, dass der weltweite Markt keine Stagnationserscheinungen in diesem Bereich zeigt. Seit dem Start des Projektes JetHunter ist der Einfluss der Krise durch einen Rückgang der Buchungen spürbar. Doch seitdem die Start-up-Unternehmer ihre Plattform seit September auf den externen Märkten testen, merken sie, dass der Auftragsrückgang in Russland um 30% bis 40% nicht unbedingt die Situation weltweit widerspiegelt. Russland nimmt insgesamt nicht mehr als 3% des globalen Marktes ein. Deswegen sollte man versuchen, auf die externen Märkte zu gelangen. In Russland bleibt nur das 15-köpfige Projekt-Team.
Die Expansion in Richtung Weltmärkte eröffnet einerseits neue Perspektiven und bringt andererseits gewisse Schwierigkeiten mit sich.
— Auf dem amerikanischen Markt haben wir Konkurrenz, und das sind erfolgreiche Unternehmen. Aber sie alle verfolgen unterschiedliche Business-Modelle. JetHunter arbeitet im Versteigerungsmodus und wendet neue Technologien an. Alle Unternehmen dieser Art haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Und Konkurrenz zu haben, ist immer gut.
Laut Artur beschäftigt sich das Unternehmen gerade mit der Entwicklung eines neuen B2B-Produkts, das der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Brokern und den Fluganbietern dienen soll. Das Business-Modell wird sich dabei verändern. Man versucht dabei gar nicht, die Vermittler aus dem Markt zu drängen. Doch man plant bereits, ihre Gewinnanteile herabzusetzen, die Effektivität des Prozesses zu steigern und auch andere Verbesserungen des Prozesses anzustoßen.
Lesen Sie das Interview mit der Investorin des Start-ups JetHunter, Miriam Judovitsch.