— In dem Sammelband mit dem Namen „Wie man in Russland investiert“, der etwa vor einem Jahr von der Association of European Businesses (AEB) herausgebracht wurde, findet man auch Ihren Aufsatz „Nach Russland kommen – Co-Investor sein oder nicht sein?“ Wir würden Sie diese Hamlet-Frage heute beantworten?
— Es ist immer eine gute Idee, in Russland zu investieren. Das ist ein Land, wo 140 Mio. Menschen leben, es hat ein geringes Zahlungsbilanzdefizit, ein gutes Finanzsystem sowie stabile Machtverhältnisse. Meiner Meinung nach lohnt es sich immer, in Russland und seine Hauptstadt zu investieren.
— Wenn wir als Beispiel schwedische Investoren nehmen: Wer ist Ihrer Meinung nach am erfolgreichsten?
Geboren im Süden Schwedens. Absolvierte die Universität Lund in Lund, Schweden, studierte an der Universität Westminster. Arbeitet seit 2001 und bis heute in der schwedischen Anwaltskanzlei Mannheimer Swartling. Hat seit 2003 ein Secondment bei der Europäischen Investitionsbank. Lebt und arbeitet in Moskau seit 2007. Spricht Schwedisch, Deutsch, Englisch und Russisch.
— Ihr Markt ist besonders attraktiv für die Hersteller von Konsumgütern. Auf die Schnelle fallen mir dabei die schwedische Möbel-Gesellschaft IKEA sowie die bekannte Bekleidungsmarke H&M ein. Sie sind sehr erfolgreich in Russland. Des Weiteren lassen sich in diese Liste auch einige Investitionsunternehmen aufnehmen, die in der Bergbau-Industrie tätig sind. Bis zuletzt hatten sie auch Erfolge zu vermelden. Oder man nehme den IT-Bereich, speziell das Portal des Internet-Handels AVITO. Das ist ein russisches Unternehmen, von Schweden gegründet. Die Leute kamen nach Russland und fingen praktisch von Null an, sie haben ein Unternehmen gegründet und weiterentwickelt, und es ist heute laut Einschätzungen etwa zwei Mrd. US Dollar wert.
— Also Sie glauben, dass in einer Situation der finanziellen Instabilität, des Rückgangs der Kaufkraft der Bevölkerung und des derzeitigen Investitions-Ratings Russlands das Investitionsrisiko gerechtfertigt ist?
— Ach, bei den Investitionen gibt es immer ein gewisses Risiko. Man muss einfach geduldig und vorausschauend sein. Wenn Sie heute Ihr Geld nicht ausgeben wollen und den russischen Markt verlassen, bis etwas bessere Zeiten kommen, kann es sein, dass wenn Sie in ein paar Jahren beschließen, wieder zu kommen, sich herausstellen wird, dass Sie sehr viel, wenn nicht sogar alles, verloren haben.
— Und hat sich das Klima in Russland in Bezug auf die Sanktionen und die herrschende Spannung im Rahmen der internationalen Beziehungen für das westliche Business irgendwie verändert?
Mannheimer Swartling ist die größte schwedische Anwaltskanzlei, die sich auf Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht spezialisiert hat. Hat vier Filialen in Schweden und sieben Filialen im Ausland: in Russland, Deutschland, China, in den USA und in Belgien.
Das Unternehmen beschäftigt etwa 400 Anwälte.
Teilhabe an der Firma gehört 86 Partnern.
Im Jahre 1990 war Mannheimer Swartling die erste europäische Anwaltskanzlei, die ihre Filiale in Moskau eröffnet hat. Zuerst war das Unternehmen auf Rechtsstreitigkeiten und Schiedsverfahren spezialisiert, später aber hat es seinen Tätigkeitsbereich in Russland vergrößert. Heute bietet Mannheimer Swartling Dienstleistungen in den meisten Rechtsfragen rund ums Business an.
— Im Großen und Ganzen hat sich das Klima nicht verändert. Ich glaube, dass die russische und speziell die Moskauer Regierung versucht, ein bestmögliches Business Playing Field zu schaffen.
Aber so ist es natürlich nicht überall. Die Gesetzgebung im Bereich der Konsumgüter ist zum Beispiel ziemlich stabil. Dagegen sind die Veränderungen der Spielregeln in der Ölbranche und im Medien-Business nicht immer ganz nachvollziehbar. So wurden im Medien-Business einige gesetzliche Begrenzungen in Bezug auf den Besitz von Massenmedien-Aktiva für ausländische Investoren festgelegt. Als Folge muss die größte finnische Medien-Holding Sanoma ihre russischen Aktiva abstoßen. Die Sanktionen haben sich natürlich auch auf das Business ausgewirkt. Obwohl im Großen und Ganzen keine Rede von einer Panik in Russland sein kann. Viele unserer Unternehmer sind bereits seit Längerem hier und haben ein ganz gutes Netzwerk aufgebaut. Natürlich mussten einige Russland verlassen. Auch Lebensmittel-Exporteure. Obwohl für Russland dies zum Teil auch ganz günstig sein kann: Man kann seine eigene, lokale Produktion in Gang bringen. Das Verhältnis zu den Ausländern, die in Moskau arbeiten, hat sich dagegen gar nicht verändert. Die Russen sind vernünftige Menschen. Ich habe von meinen zahlreichen russischen Bekannten zum Beispiel noch nie gehört, dass sie mich nicht mögen würden, nur weil ich ein Ausländer bin.
— Und haben sich die Sanktionen auf Ihre Firma irgendwie ausgewirkt?
— Sie betreffen unsere Arbeit nicht unmittelbar. Mit den von den Sanktionen betroffenen Unternehmen arbeiten wir nicht zusammen. Aber als Juristen beraten wir viele unserer Kunden: Was dürfen sie in Russland im Rahmen der herrschenden Sanktionen konkret tun, und was nicht.
— In Russland gilt zurzeit die Politik des Importersatzes und der Entwicklung von Eigenproduktion. Inwieweit kann es sich Ihrer Meinung nach für einen ausländischen Investor lohnen, in eine Produktionslokalisierung in Russland zu investieren?
— Ich war schon immer für eine völlige Handelsfreiheit. Aber Russland ist nicht das einzige Land, das einen Importersatz gutheißt. Brasilien und die USA unterstützen auch ihre eigene, lokale Produktion. In Bezug auf die Verlegung einer ausländischen Produktion nach Russland muss man jede Situation im jeweiligen konkreten Fall einzeln bewerten. Ich bin der Meinung, dass für einige Wirtschaftssektoren das ziemlich günstig sein kann. Besonders für solche, die für die Lieferungen für staatliche Unternehmen verantwortlich sind und an den Projekt-Ausschreibungen teilnehmen. Solche ausländischen Unternehmen sind einfach verpflichtet, ihre Produktion hierher zu verlegen. Vor allem, weil man auch auf qualifizierte lokale Fachkräfte zugreifen kann.
— Könnten Sie auch ein Beispiel von einem skandinavischen Investor anbringen, der in letzter Zeit in Russland und in Moskau investiert hat?
— Ich weiß, dass viele Unternehmen, die bereits hier sind, über neue Projekte nachdenken. Und was die Neulinge aus dem Bereich des kleinen und mittleren Business betrifft… Die äußeren Umstände sind, zugegebenermaßen, nicht besonders günstig für sie. Die Meinung über Russland in den Massenmedien und in Europa lässt zu wünschen übrig; ich glaube, dass sie auch in vielerlei Hinsicht zu negativ ausfällt. Ich möchte Ihrer Regierung keine Ratschläge erteilen, aber ich glaube, dass Russland seinem Image in den Augen eines europäischen Investors mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.
— Und was glauben Sie als Jurist, der im Wirtschaftssektor tätig ist: Wie schwer ist es für einen ausländischen Geschäftsmann, sein Unternehmen in Moskau zu gründen? Es geht dabei in erster Linie um kleine und mittlere Unternehmen…
— Es ist immer eine Herausforderung, sein Business auf einem sich gerade entwickelnden Markt zu starten. Aber ich sage immer wieder zu meinen Kunden, die kleine und mittlere Unternehmen haben: In Russland ist es nicht wesentlich schwieriger als zum Beispiel in China, Indonesien oder in Thailand. Obwohl man in Europa, u.a. beeinflusst durch die Massenmedien, häufig glaubt, dass hier alles viel schwieriger ist. Das stimmt aber nicht. Man muss einfach die Spielregeln studieren und diese befolgen. Und auf keine Menschen hören, die sagen: „Mit meiner Hilfe kannst du dir den Weg sparen und alles viel schneller erledigen“. Das ist ein sehr gefährlicher Weg.
— Welche Schwierigkeiten könnten auf dem russischen Markt einen „frischgebackenen“ Investor erwarten?
— In erster Linie ist das die Preisgestaltung. Russland ist ein sehr teures Land. Hier ist es ziemlich teuer und kompliziert, einen Kredit zu erhalten. Das Leasing für Anlagen und Transportmittel ist auch teuer…
— Soviel ich weiß, haben Sie sich in Ihrer Praxis u.a. auf die Fragen der Antikorruptions-Gesetzgebung spezialisiert. Wie sieht es Ihrer Meinung nach mit der Korruption in Russland aus?
1. Studieren Sie die Situation in dem von Ihnen ausgesuchten Businessbereich.
Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Denken Sie akribisch darüber nach, wie Sie Ihr Unternehmen in die bereits bestehende Businesslandschaft Russlands integrieren können.
2. Bilden Sie Ihr Team.
Das wird vielleicht das Schwierigste von allem sein. Man sollte nicht davon ausgehen, dass man in Russland günstige Fachkräfte findet. Aber man findet hier fähige und loyale Mitarbeiter, die es wert sind, gute Gehälter zu bekommen.
3. Studieren Sie die russische Gesetzgebung, und versuchen Sie, diese zu befolgen.
Aber versuchen Sie nicht, sie zu umgehen. Man wird Ihnen vorschlagen, Wege „abzukürzen“ – bleiben Sie stark und geraten Sie nicht in Versuchung.
4. Wenn Sie hierher kommen, planen Sie längerfristig.
Es lohnt sich nicht, nach Russland nur für ein Jahr zu kommen. Die Situation kann sich immer ändern, man erlebt Höhen und Tiefen. Folgen Sie nicht Ihrer ersten Laune.
5. Pflegen Sie Ihre Kontakte und betreiben Sie Networking.
Das wird Ihnen in Ihrem Business helfen. Dabei geht es nicht um eine banale Korruption. Ich würde dies vielmehr als eine legale „Freundschaftskorruption“ bezeichnen. Freundschaftliche Kontakte werden Ihnen in schwierigen Situationen immer helfen.
— Korruption ist ein allgemeines Problem. Es gibt sie auch in Europa und in den USA. Aber heute bekämpft man diese rigoros in den westlichen Ländern; dort gilt eine strenge Antikorruptions-Gesetzgebung. Auch die größten Unternehmen, die sich der Bestechung schuldig gemacht haben, ganz egal, ob bei sich zuhause oder im Ausland, werden bestraft. Es geht dabei häufig um Milliarden von US Dollar.
— Man liebt es, die Ausländer mit der russischen Bürokratie zu erschrecken…
— Als Juristen haben wir mit Bürokratie ständig zu tun. Natürlich entstehen dadurch manchmal zusätzliche Hindernisse. Aber sie lässt sich in den Griff bekommen. Ja, es stimmt, in Schweden braucht man für die Registrierung einer neuen Firma einen Tag, hier dagegen braucht man einen ganzen Monat. Doch Bürokratie gehört zu den Realitäten, mit denen wir auskommen müssen.
— Mannheimer Swartling war 1990 die erste europäische Anwaltskanzlei, die ihre Filiale in Moskau eröffnete. Dies gab ihr am Anfang natürlich einen Vorsprung. Und welche Wettbewerbsvorteile hat sie heute zu bieten?
— In erster Linie ist das vermutlich die Berufserfahrung, die sie in den vergangenen Jahren in Russland machen konnte. Das Unternehmen kam noch zu Sowjetzeiten nach Moskau. Als wir unseren Business-Plan entwickelten, hatte keiner von uns nicht einmal die leiseste Ahnung, dass die UdSSR bald darauf zerfallen würde…
In Russland braucht man Zeit, um das Land und seine Kultur zu verstehen und die lokalen Business-Spezifika kennenzulernen. Als ich 2007 nach Russland kam, dachte ich, dass ich in Russland bloß ein paar Jahre verbringen würde. Stattdessen bin ich immer noch hier…
— Wie kamen Sie nach Moskau? Bis dahin haben Sie ja in den Filialen Ihrer Firma in Schweden gearbeitet…
— …aber ich wollte schon immer einmal im Ausland tätig sein. Im Jahre 2007 tätigte Mannheimer Swartling große zusätzliche Investitionen in den Ausbau ihrer Moskauer Filiale. Und mir wurde angeboten, hierher zu kommen. Ich habe daraufhin den ersten Zug genommen… .
— Bereuen Sie das nicht?
— Nein. Manchmal muss ich sogar lachen, wenn ich in Schweden gefragt werde: „Wie kannst du in Moskau überhaupt existieren? Dort ist es doch so gefährlich!“ Aber ich existiere nicht, ich lebe ganz normal. Und nicht nur ich. Alle Ausländer, die in Moskau tätig sind und die ich kenne, äußern sich sehr positiv über die russische Hauptstadt.
— Und spüren Sie keine Gefahr?
— Absolut nicht. Und ich kann mich nicht erinnern, dass jemand von meinen Kollegen sich darüber beklagt hätte.
— Und welchen Eindruck hat Moskau bei Ihnen in den ersten Tagen nach Ihrer Ankunft hinterlassen?
— Darauf kann ich nur Folgendes sagen: „In den letzten Jahren hat sich Moskau stark verändert. Früher wirkte die Stadt irgendwie grauer. Der Moskauer Bürgermeister Sobjanin hat hier ganze Arbeit geleistet“.
— Aber mit Sicherheit gefällt Ihnen hier nicht alles. Was stört Sie dabei am meisten?
— Der unglaublich überlastete Straßenverkehr. Und die Fahrer, die oft die Geschwindigkeitsnormen missachten und zu schnell fahren. Das finde ich nicht in Ordnung und glaube, dass die Polizei solche Raser-Probleme ernst nehmen sollte.
— Sie meinten bereits, dass Sie ursprünglich geplant hatten, nur ein paar Jahre in Moskau zu verbringen. In Wirklichkeit sind Sie bereits seit acht Jahren hier. Ist das Ende Ihrer russischen Periode irgendwie absehbar?
— Na ja, ich arbeite immer weiter. Ich habe keine konkreten zeitlichen Grenzen für mich festgelegt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich hier auch nach meiner Pensionierung bleiben werde. Genauso wenig sicher bin ich mir da aber auch in Bezug auf Schweden…