Situation 1.
Ein französisches Chemieunternehmen hatte mit der Umsetzung eines Bauprojektes für sein erstes Werk in Russland begonnen. Nach dem Erwerb des Grundstücks stellte sich heraus, dass der Netzanschluss des Werksgeländes weit teurer sein würde als geplant. Das Problem schien unlösbar, und die französische Firma war gezwungen, den Bauort ihres Werkes in eine andere Region zu verlegen. Im Ergebnis wurde der gesetzte Termin für den Produktionsbeginn verfehlt. Die Firma erlitt Verluste aus der Verlegung des Bauortes und hält nun auch noch ein Grundstück, das es nicht benötigt.
Um Probleme zu vermeiden, die mit dem Anschluss eines Betriebes an die infrastrukturellen Netze verbunden sind, hätten die Franzosen in der Risikobewertungsphase des Projektes eine sogenannte Energie-Prüfung durchführen sollen. Diese zeigt auf, welche Ausgaben für den Anschluss der Betriebsstätte an das Energie- und Gasversorgungsnetz anfallen werden.
Bei der Planung einer Projektumsetzung in der einen oder anderen russischen Region sollte man sich nicht auf mündliche Zusagen von Repräsentanten der Behörden in Bezug auf „schlüsselfertige“ Übergaben von Produktionsstätten verlassen. Um die tatsächliche Lage in Bezug auf die Netzsituation in der Region zu verstehen, sind eigene Analysen unumgänglich. Genaue Informationen können Rechtsanwaltsunternehmen geben, die sich im Bereich Energetik in der Sie interessierenden Region spezialisiert haben. Eine Energieprüfung benennt Problemfelder und beleuchtet mögliche Lösungsansätze. Die Ausgaben für eine solche Studie sind nichts in Relation zu den Verlusten, die ein Unternehmen zu erleiden riskiert, wenn es auf eigene Faust loszieht.
Situation 2.
Ein deutscher Hersteller von Autoteilen hatte sein Produktionsnetz in Russland ausgeweitet. Das neue Werk war auf dem Gelände eines Industrieparkt gelegen. Ein Jahr nach Start der Produktion erhielt die Unternehmung eine Anzeige über die Verletzung von Sanitärnormen. Es stellte sich heraus, dass die Verwaltung des Industrieparks dem deutschen Unternehmen eine Fläche in der Nähe eines Lebensmittellagers zugeteilt hatte, was nach russischem Recht nicht zulässig ist. Der Betrieb war gezwungen, entweder die Produktion einzustellen oder eine schwierige und kostspielige Umrüstung vorzunehmen. Im Ergebnis musste die Unternehmung ihre Produktion an einen anderen Ort verlegen, was sehr hohe, ungeplante Kosten verursachte. Zudem konnten Lieferfristen für die Produktion nicht eingehalten werden.
Die Ausländer hatten nicht bedacht, dass man einen Verstoß gegen diesen Vertragspunkt kaum würde auf die Management-Firma zurückführen und von ihr Gewinnentschädigungen bekommen können. Die Europäer waren es gewohnt, dass Vertragspartner stets gewissenhafte Agenten sind, die gewissenhaft ihren Verpflichtungen nachkommen. Doch selbst eine respektable russische Firma kann ihren Geschäftspartner im Stich lassen und ihrer Verantwortung nicht nachkommen.
Die russischen Sanitär- und ökologischen Anforderungen sind als mit die strengsten der Welt bekannt. Ein Verstoß gegen diese Normen kann eine Menge Schwierigkeiten für das betreffende Unternehmen nach sich ziehen. Daher ist es, wenn man einen Produktionsort in Russland sucht, unbedingt notwendig zu prüfen, welche der Objekte in der Nähe davon liegen. Gemäß internationalen Standards gehört eine solche Prüfung zur Due Diligence. Doch missachten ausländische Unternehmen in Russland dieses Verfahren oft und verlassen sich auf die Zusicherungen der Partner oder von Repräsentanten der Machtorgane, dass es keinerlei Risiko gäbe. Dabei wird Fragen der Verantwortlichkeiten der Vertragsparteien nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, woraufhin eine später geschädigte Vertragsseite keine Kompensationsforderungen geltend machen kann.
Die Sanitär- und ökologische Prüfung ist für ausländische Unternehmer sehr wichtig. Eine solche Prüfung kann jede beliebige Kanzlei durchführen, die sich auf das russische Unternehmensrecht spezialisiert hat. Diese Prozedur kann helfen, die Unternehmung vor Konflikten mit den russischen Prüfungsbehörden, die sehr teuer werden können, zu schützen.
Situation 3.
Ein italienisches Produktionsunternehmen für Haushaltsglas hatte eine Fabrik in einem der Peripheriebezirke Russlands errichtet. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass der Betrieb in einer Agrargegend errichtet worden war, wo die Bevölkerung keinerlei Erfahrung bei Arbeiten in einem großen Werk hatte. Nach einem Jahr musste etwa die Hälfte der Belegschaft entlassen werden aufgrund mangelnder Fähigkeit, die Arbeitsdisziplin einzuhalten. Das Management des Betriebes musste regelmäßig Arbeiter aus den Nachbarbezirken, sogar aus einer anderen Region zuführen.
Bei der Wahl des Produktionsstandortes muss eine ausländische Firma unbedingt nicht nur die rechtlichen und finanziellen Risiken im Auge haben. In erster Linie muss die sozial-ökonomische Situation der Region analysiert werden, insbesondere die Verfügbarkeit von Arbeitsressourcen. Die Unaufmerksamkeit in diesem Punkt hat dem italienischen Unternehmen die Arbeit erschwert und einen Anstieg in seinen Kosten verursacht. In einer solchen Situation lässt sich dieses Problem kaum mehr auf andere Weise lösen.
Heute locken viele russische Regionen ausländische Investoren mit diversen Vergünstigungen. Sicher hat das Mitwirken des Staates eine große Bedeutung für eine erfolgreiche Business-Entwicklung. Doch darf dabei nicht vergessen werden, dass Vergünstigungen keinen Vorteil bringen, wenn es niemanden gibt, der in dem Betrieb arbeiten kann. Daher muss bei der Standortwahl für einen Betrieb zuerst das dortige Arbeitskräftepotenzial bewertet werden: Kann dieses den Bedarf des Unternehmens an Arbeitsressourcen in Bezug auf Umfang und Qualifikation decken? Solche Informationen kann man bei Sozialwissenschaftlern erhalten. Auf Wunsch kann man spezielle Studien über den Arbeitsmarkt erhalten, um sich ein detailliertes Bild machen zu können. Die damit verbundenen Aufwendungen werden vergleichsweise gering sein. Dafür können die erhaltenen Daten dem Management der Unternehmung helfen, Fehler und unzweckmäßige Handlungen zu vermeiden.